Fragestellung: Kann die fokussierte MRI-geführte Ultraschall-Thalamotomie zur Behandlung des essenziellen Tremors (ET) eingesetzt werden?

Hintergrund: Mithilfe einer technischen Neuentwicklung, der MRI-geführten Ultraschall-Thalamotomie (MRgUST), werden 1.024 in einem Helm montierte Ultraschallsender präzise auf einen stereotaktisch bestimmten Zielpunkt gerichtet. Das so hochenergetisch bestrahlte Gebiet wird auf über 70 °C aufgeheizt und es kommt dadurch zu einer stereotaktisch gesetzten Thermoläsion. Das Verfahren wird derzeit für die funktionelle Neurochirurgie von Haltetremor im klassischen Tremorzielpunkt Nucleus ventrointermediolateralis des Thalamus (Vim) eingesetzt.

Patienten und Methodik: Patienten mit mittelschwerem bis schwerem ET wurden im Verhältnis 3 : 1 einer Thalamotomie oder einer Placebobestrahlung (Sham) zugeführt. Der Hauptendpunktparameter war der nach Videoaufnahmen von verblindeten Untersuchern beurteilte Schweregrad des Händetremors. Die tremorspezifische Behinderung und die Lebensqualität waren sekundäre Endpunktparameter.

Ergebnisse: 76 Patienten wurden eingeschlossen. Der Händetremor verbesserte sich signifikant von 18,1 auf 9,6 Punkte im Vergleich zur Shamgruppe (16,0 auf 15,8). Auch sekundäre Endpunktparameter wie die Behinderung und die Lebensqualität wurden verbessert.

Bezüglich der Nebenwirkungen ist zum einen zu betonen, dass keine Blutungen auftraten. Zum anderen war allerdings ein hoher Anteil an Gangstörungen (36 %) und kontralateralen Parästhesien 38 % zu beobachten, die bei 9 % beziehungsweise 14 % der behandelten Patienten auch nach zwölf Monaten noch anhielten.

Schlussfolgerungen: Mit der MRI-geführten Ultraschall-Thalamotomie kann der kontralaterale Händetremor im Vergleich zur Shambestrahlung signifikant gebessert werden. Die Rate lang anhaltender Nebenwirkungen ist jedoch nicht unerheblich.

Kommentar von Günther Deuschl, Kiel

Neues Kapitel der läsionalen funktionellen Chirurgie aufgeschlagen

Mit dieser neuen Behandlungsmethode wird ein neues Kapitel der läsionellen funktionellen Chirurgie aufgeschlagen. Dies ist die erste kontrollierte Studie, die die Wirksamkeit der MRgUST beweist. Sie hat etwa die Wirkungsstärke der früheren läsionellen Thermokoagulation oder der unilateralen tiefen Hirnstimulation. Verschiedene Aspekte müssen bei der Bewertung bedacht werden: Erstens handelt es sich um ein invasives Verfahren, bei dem Hirngewebe zerstört wird — wenngleich durch die intakte Haut. Trotz mittlerweile einiger Erfahrungen ohne intrazerebrale Blutungen ist diese Komplikation möglich. Zweitens treten offenbar immer noch bleibende Nebenwirkungen durch ein zu großes läsioniertes Areal auf. Diese Nebenwirkungen sind irreversibel, aber potenziell vermeidbar, wenn die Technik verbessert wird, da im Moment die Temperatur im Gehirn nur in einer Ebene gemessen wird. Daher kann es noch vorkommen, dass in der beobachteten Schicht die Läsion korrekt sitzt, aber nicht in darunterliegenden Schichten. Technologische Weiterentwicklung ist hier gefordert. Drittens gibt es einen wichtigen klinischen Aspekt zur Differenzialindikation: Thalamotomien sind grundsätzlich nur einseitig möglich, weil die Erfahrungen der läsionellen Chirurgie gezeigt haben, dass bei bilateraler Läsion in mehr als 30 % der Fälle Dysarthrien auftreten. Daher wird das Verfahren nur für Patienten sinnvoll sein, die einen Tremor haben, der durch unilaterale Operation behandelt werden kann. Das ist der Hände-, aber nicht der Kopf- oder Stimmtremor. Alle anderen müssen weiter mit der tiefen Hirnstimulation versorgt werden. Derzeit wird an einigen Zentren der Einsatz der Methode zur Läsion des Nucleus subthalamicus bei der Parkinson-Krankheit und des Globus pallidus internum bei der Dystonie erprobt. Sollten sich diese Verfahren mit bilateraler Anwendung als wirksam und sicher erweisen, kann sich das Verfahren durchsetzen. In Deutschland gibt es nach meiner Kenntnis noch kein Zentrum, das über das komplizierte Verfahren verfügt, aber mehrere Universitäten sind in Kaufverhandlungen.

figure 1

Prof. Dr. Dr. h.c. Günther Deuschl, Kiel