Fragestellung: Kann Andexanet Alfa, ein Gegenmittel gegen Faktor-Xa-Hemmer, zur Behandlung von schwerwiegenden Blutungskomplikationen unter Apixaban, Edoxaban oder Rivaroxaban eingesetzt werden?

Hintergrund: In den letzten Jahren ersetzen zunehmend neue Antikoagulantien in der Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern und in der Prophylaxe und Therapie tiefer Beinvenenthrombosen die bisherigen Vitamin-K-Antagonisten. Derzeit sind drei Faktor-Xa-Hemmer im Einsatz, nämlich Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban.

Andexanet wurde als Gegenmittel für Faktor-Xa-Hemmer entwickelt und wird als Bolus, gefolgt von einer Dauerinfusion, eingesetzt. ANNEXA-4 ist die erste prospektive Studie, in der die Wirkung von Andexanet bei Patienten mit schwerwiegenden Blutungskomplikationen unter einer Behandlung mit Faktor-Xa-Hemmern untersucht wird.

Patienten und Methodik: Es handelt sich um eine multizentrische prospektive offene Studie in die 67 Patienten mit schwerwiegenden Blutungskomplikationen aufgenommen wurden, bei denen die letzte Einnahme eines Faktor-Xa-Hemmers 18 Stunden oder weniger zurücklag.

Die Patienten erhielten zunächst einen Bolus von Andexanet, gefolgt von einer zweistündigen Infusion. Gemessen wurde dann die Anti-Faktor-Xa-Aktivität im Serum und das Ausmaß der Blutstillung.

Ergebnisse: Die Patienten waren im Mittel 77 Jahre alt und die meisten wurden wegen Vorhofflimmern antikoaguliert. Von den 67 Patienten nahmen 32 Rivaroxaban ein, 31 Apixaban und vier Enoxaparin. Bei 33 Patienten lag eine gastrointestinale und bei 28 eine intrakranielle Blutung vor. Der mittlere Zeitraum von der Vorstellung in der Notaufnahme bis zum Beginn der Andexanet-Bolusgabe betrug 4,8 Stunden. Von den 67 Patienten wurden bezüglich der Auswertung 20 ausgeschlossen, da ihre initiale Anti-Faktor-Xa-Aktivität unter 75 ng/ml lag. Nach der Gabe von Andexanet fiel die Anti-Faktor-Xa-Aktivität um 90 – 93 % nach zwei Stunden, stieg aber nach vier Stunden wieder an.

Die klinische Einschätzung der Hämostase durch den behandelnden Arzt wurde bei 37 von 47 Patienten als gut eingeschätzt. 18 der 67 Patienten verstarben, wobei es sich meist um multimorbide Patienten handelte. Bei zwölf Patienten kam es im weiteren Verlauf zu einem thrombotischen Ereignis, wobei bei diesen Patienten keine erneute Antikoagulation erfolgt war.

Schlussfolgerungen: Bei Patienten, die unter der Einnahme eines Faktor-Xa-Hemmers eine schwerwiegende Blutung erleiden, kann mit einem Bolus von Andexanet Alfa, gefolgt von einer zweistündigen Infusion, in 90 % der Fälle die Faktor-Xa-Aktivität normalisiert werden.

Bei 80 % der Patienten kam es zu einer klinisch relevanten Hämostase der ursprünglichen Blutung.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Die FDA hat die Zulassung vorläufig abgelehnt

ANNEXA-4 ist die erste Studie, die die Wirksamkeit von Andexanet Alfa in einer Population von Patienten untersucht, die unter der Einnahme eines Faktor-Xa-Hemmers eine schwerwiegende gastrointestinale oder intrakranielle Blutung erleiden. Nach Gabe eines Bolus, gefolgt von einer zweistündigen Infusion, kann bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten die Wirkung des Faktor-Xa-Hemmers antagonisiert werden. Bei den meisten Patienten wurde auch eine befriedigende Blutstillung erreicht. Die Anwendung von Andexanet ist allerdings deutlich komplizierter als die Anwendung von Idarucizumab bei Patienten, die mit Dabigatran behandelt werden, und eine Blutung erleiden. Idarucizumab muss als einmaliger Bolus gegeben werden und es muss keine Dosisadaptation erfolgen, wie sie für Andexanet Alfa notwendig ist. Im Gegensatz zu Idarucizumab kam es nach der Gabe von Andexanet auch zu einem Anstieg des Faktor Xa vier und acht Stunden nach der initialen Gabe. Ein schwerwiegender Nachteil der ANNEXA-4-Studie ist, dass keine Patienten eingeschlossen wurden, bei denen unter Antikoagulation notfallmäßig ein operativer Eingriff oder eine invasive Prozedur vorgenommen werden musste. Aus Gründen, die im Moment nicht bekannt sind, hat die amerikanische Zulassungsbehörde vorläufig die Zulassung von Andexanet Alfa in den USA abgelehnt. Wann mit der Markteinführung zu rechnen ist, ist im Moment noch nicht bekannt.