Fragestellung: Welche Adipositasmedikamente sind bezüglich Gewichtsreduktion am wirkungsvollsten? Bei welchen Medikamenten wird die Therapie wegen schweren Nebenwirkungen am häufigsten abgebrochen?

Hintergrund: Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat fünf Medikamente zur Adipositasbehandlung zugelassen. Der Vergleich in den Zulassungsstudien erfolgte meist gegen Placebo, es fehlen daher direkte Head-to-Head-Vergleiche zwischen verschiedenen Medikamenten. Über Netzwerkmetaanalysen ist dieser Vergleich indirekt möglich.

Patienten und Methodik: Die Datenbanken MEDLINE, EMBASE, Web of Science, Scopus und Cochrane Central wurden systematisch nach randomisierten klinischen Studien durchsucht, bei denen zugelassene Adipositasmedikamente entweder gegen Placebo oder gegen ein anderes Medikament geprüft wurden. Die fünf eingeschlossenen Medikamente waren Orlistat, Lorcaserin, Naltrexon-Bupropion, Phentermin-Topiramat und Liraglutid. Die Studien wurden anhand der GRADE-Kriterien und des „Cochrane Risk of Bias Tools“ hinsichtlich ihrer Qualität bewertet. In einer Bayesianischen Netzwerkmetaanalyse sowie in einer direkten Metaanalyse wurden die Medikamente hinsichtlich ihrer Wirksamkeit (Anteil von Patienten mit mindestens 5 % oder mindestens 10 % Gewichtsverlust) und schweren Nebenwirkungen (Therapieabbruch nach einem Jahr wegen Nebenwirkungen) verglichen. Die Analysen erfolgten für alle Patienten, die mindestens einmal das jeweilige Medikament erhalten hatten und bei denen mindestens eine Gewichtsmessung nach der Randomisierung vorlag. Fehlende Werte wurden nach der Methode des „Last-Observation-Carried-Forward“ (LOCF) ersetzt.

Ergebnisse: In die Metaanalyse flossen die Daten von insgesamt 29.018 Patienten aus 28 klinischen Studien ein. In 27 dieser Studien war eines der Medikamente gegen Placebo geprüft worden, nur eine Studie war dreiarmig angelegt und hatte Orlistat versus Liraglutid versus Placebo verglichen.

Mit Placebo hatten im Median 23 % der Teilnehmer einen relevanten Gewichtsverlust im Vergleich zu 75 % bei Einnahme von Phentermin-Topiramat (Odds Ratio [OR] 9,2, 95 % Credible Interval [CrI] 6,6 – 12,9).

Unter Liraglutid verloren im Median 63 % der Patienten Gewicht (OR 5,5, CrI 4,2 – 7,8), 55 % unter Naltrexon-Bupropion (OR 3,4, CrI 3,0 – 5,1), 49 % unter Lorcaserin (OR 3,1, CrI 2,4 – 4,1) und 44 % unter Orlistat (OR 2,7, CrI 2,3 – 3,1). Mit jedem der Medikamente konnte mehr Gewicht reduziert werden als mit Placebo: Von 2,6 Kilogramm bei Orlistat bis zu 8,8 Kilogramm bei Phentermin-Topiramat.

Nebenwirkungen traten am häufigsten bei der Therapie mit Liraglutid (OR 3,0, CrI 2,1 – 4,2) und bei der Behandlung mit Naltrexon-Bupropion (OR 2,6, CrI 2,1 – 3,4) auf.

Schlussfolgerungen: Phentermin-Topiramat und Liraglutid waren hinsichtlich der Gewichtsreduktion innerhalb eines Jahres am wirkungsvollsten, aber auch Naltrexon-Bupropion, Orlistat und Lorcaserin waren wirksamer als Placebo.

Kommentar von Susanne Singer, Mainz

Nicht direkt übertragbar auf psychiatrische Patienten

Netzwerkmetaanalysen sind eine geschickte Methode, Ergebnisse aus randomisierten klinischen Studien zusammenzufassen. Sie erlauben den Vergleich von Präparaten untereinander, auch wenn diese nicht direkt in der Studie gegeneinander geprüft worden waren. Umgangssprachlich könnte man sagen: Die Netzwerkmetaanalysen spielen über Bande. Auch hier gilt aber wie bei jeder Metaanalyse und jedem systematischen Review: Die Gesamtschau kann nur überzeugend sein, wenn die darin zusammengefassten Studien von hoher Qualität sind. Im Fall der hier kommentierten Studie muss man kritisch bemerken, dass die Abbruchraten in den Studien hoch waren (30 – 45 %), so dass die Gefahr eines Selektionsbias beträchtlich ist. Die Qualität der Studien nach Cochrane ist daher nicht mehr hoch, sondern nur moderat, und entsprechend ist der Body of Evidence in seiner Qualität limitiert. Entsprechend der Kriterien des Centre for Evidence-Based Medicine (Oxford) liegt das Evidenzlevel damit bei Ib.

Zu bedenken ist ebenfalls, dass psychiatrische Patienten und Patienten mit Fettleber aus den Studien explizit ausgeschlossen waren. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf eine psychiatrische Patientenpopulation ist daher eingeschränkt.

figure 1

Prof. Dr. rer. med. Susanne Singer, Mainz