Fragestellung: Geht die Einnahme von Lamotrigin (LTG) während der Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für Lippen-Kiefer-Gaumenspalten oder Klumpfüße einher? Wie ist das sonstige Missbildungsrisiko unter dieser Substanz? Die Arbeit gibt einen Überblick der aktuellen Datenlage.

Hintergrund: Frauen, die an einer Epilepsie leiden, müssen in aller Regel auch während der Schwangerschaft ihre Medikamente weiter einnehmen, um sich und das Ungeborene vor den Folgen epileptischer Anfälle zu schützen. Diese Medikamenteneinnahme fordert oft ihren Tribut in Form eines erhöhten Missbildungsrisikos für das Ungeborene. Ein Umstand, der bei vielen Betroffenen zu nachvollziehbarer Unsicherheit führt und eine enge Beratung und Betreuung vor, während und nach der Schwangerschaft durch den behandelnden Arzt verlangt. Die sicherlich problematischsten Substanzen in diesem Kontext sind seit vielen Jahren unverändert Valproinsäure (VPA) gefolgt von Phenobarbital (PB). Doch wie sieht es mit dem bewährten LTG aus? Ist es weiterhin noch so unproblematisch wie oft vermutet und diskutiert? Gibt es neue Erkenntnisse oder bleibt alles beim Alten?

LTG ist eine Substanz, die nicht nur in der Anfallstherapie, sondern auch bei bipolaren Erkrankungen zur Phasenprophylaxe etabliert ist. Damit ist es wahrscheinlich das Medikament, das Patientinnen in dieser Lebensphase am häufigsten einnehmen.

Patienten und Methodik: Die Daten stammen aus einer populationsbasierten kontrollierten Studie, genannt EUROCAT, in der 10,1 Millionen Geburten zwischen 1995 und 2011 registriert und kongenitale Missbildungen erfasst wurden. Im genannten Zeitraum betraf dies 226.806 Babys, wobei Lebendgeborene, Totgeborene und Schwangerschaftsabbrüche aus medizinischer Indikation zum Tragen kamen. Für die Fragestellung zum „Risiko Lamotrigin“ wurden alle Schwangerschaften ausgewertet, bei denen im ersten Trimenon eine LTG-Monotherapie erfolgt war und Lippen-Kiefer-Gaumenspalten oder Klumpfüße auftraten. Dies im Vergleich zu anderen nonchromosomalen kongenitalen Missbildungen und der Gruppe von Müttern ohne Antikonvulsiva.

Ergebnisse: Insgesamt ließen sich 147 Babys mit LTG-Exposition (Monotherapie) im ersten Trimenon finden, die nonchromosomale kongenitale Missbildungen aufwiesen. Die Odds-Ratio (OR) betrug für alle Lippen-Kiefer-Gaumenspalten 1,31, isoliert für Kieferspalten betrachtet 1,69 und für Klumpfüße 1,83. Für eine LTG-Monotherapie ließen sich keine anderen spezifischen Missbildungen eruieren.

Obwohl gerade Lippen-Kiefer-Gaumenspalten signifikant häufiger mit der Einnahme von Antikonvulsiva assoziiert waren, gab es für LTG im Einzelnen keinen Hinweis auf signifikant erhöhte Zahlen. Nur die Klumpfußdeformität schien in der LTG-Gruppe etwas erhöht. 77,1 % der Patientinnen nahmen LTG aufgrund einer Epilepsie ein.

Schlussfolgerungen: LTG bleibt unverändert bezüglich der bisherigen positiven Einschätzungen. Die gezielte Suche nach Lippen-Kiefer-Gaumenspalten zeigt ein Risiko von unter 1 auf 550 Babys. Das Risiko für Klumpfußmissbildungen liegt nicht über dem Durchschnitt anderer Kinder.

Kommentar von Vivien Homberg, Bad Berka

Lamotrigin — der zuverlässige Partner ohne neue Überraschungen

Mit dieser Studie liegt uns eine Bestätigung vieler anderer Daten vor, die darauf hinweisen, dass Lamotrigin ein absolut vertretbares Medikament in der Schwangerschaft ist. Die Frage nach vermehrten Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, wie sie vor allem unter Topiramat beschrieben werden, konnten sich genauso wenig bestätigen wie Klumpfußdeformitäten. Ein großer Nachteil der Studie ist die fehlende Information bezüglich der Dosierungen des Medikamentes im ersten Trimenon. Das enttäuscht am Ende, da wir aus anderen Registern wissen, dass Missbildungsraten unter Lamotrigin durchaus auch in relevante Bereiche ansteigen, wenn die Tagesdosis über 300 mg liegt.

Die vorliegenden Daten sollten allerdings kein Freifahrtschein sein zum hektischen Umstellen auf Lamotrigin kurz vor oder vielleicht sogar schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft. Denn auch andere Medikamente haben vertretbare Risiken und die Umstellung gerade unter Zeitdruck ist immer riskant, nicht nur was die Anfallskontrolle und die Nebenwirkungen betrifft. Bewährt haben sich in erster Linie immer noch eine gute Beratung über mögliche Risiken, das Monitoring der Schwangerschaft in Spezialzentren, das Verteilen der Einnahmen auf drei bis vier Mal pro Tag um Spiegelspitzen zu vermeiden und gegebenenfalls sogar Medikamentenreduktionen, sofern vertretbar.

figure 1

Dr. med. Vivien Homberg, Bad Berka