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Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Im Bereich der Migräneprophylaxe gab es eine lange Flaute. Die letzte Substanz, die für die Prophylaxe der episodischen Migräne zugelassen wurde, war Topiramat. Ein wesentlicher Therapiefortschritt war die Zulassung von Botulinumtoxin für die Prophylaxe der chronischen Migräne. Seitdem ist aber auch auf diesem Gebiet bis vor kurzem nicht mehr viel passiert. Die Grundlagenforschung hatte allerdings schon früh erkannt, dass das „Calcitonin gene related peptide“ (CGRP) eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der Migräne spielt. Die ursprünglich entwickelten kleinen Moleküle zur Behandlung akuter Migräneattacken mit CGRP-Antagonisten hatten entweder vielfältige Interaktionen mit anderen Medikamenten oder führten bei missbräuchlicher Anwendung zu Leberschäden, so dass dieser Weg nicht weiter verfolgt wurde. In den letzten Jahren sind jedoch vier humanisierte monoklonale Antikörper entweder gegen CGRP selbst oder den CGRP-Rezeptor entwickelt worden, die in Phase-II-Studien zur Prophylaxe der episodischen und chronischen Migräne alle wirksam waren und ein sehr gutes Nebenwirkungsprofil aufweisen. Die Antikörper können die intakte Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden, was erklärt, warum es keine zentralen Nebenwirkungen gibt. Die Durchführung von Phase-III-Studien in Deutschland gestaltet sich allerdings schwierig. Für die Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde genügen in aller Regel wie in den Vereinigten Staaten placebokontrollierte Studien, in denen die neuen CGRP-Antikörper ihre Überlegenheit gegenüber Placebo belegen. Für die Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland müssen die neuen Substanzen jedoch das AMNOG-Verfahren durchlaufen. Darin wird gefordert, dass die neuen Substanzen in Studien mit einer zugelassenen Arznei verglichen werden. Patienten, die in die Studien mit den neuen Migräneprophylaktika eingeschlossen werden, sind aber solche, bei denen die bisherigen Mittel wie Betablocker, Flunarizin, Topiramat oder Amitriptylin nicht gewirkt haben, wegen Nebenwirkungen abgesetzt wurden oder es bestanden Kontraindikationen. Es stellt sich nun die Frage, wie die Vorgaben des AMNOG erfüllt werden sollen, wenn Patienten in Studien nicht mit den Vergleichssubstanzen behandelt werden können. Zumal es einem Patienten ethisch nicht zuzumuten ist, im Rahmen einer randomisierten Studie eine Substanz einzunehmen, die er in der Vergangenheit nicht vertragen hat.

Ansonsten gibt es viele spannende Befunde aus der Kopfschmerzforschung, die in den nächsten drei Ausgaben der InFo Neurologie + Psychiatrie im Detail referiert werden. Dabei handelt es sich um

  • eine große genetische Metaanalyse von 375.000 Individuen, die insgesamt 38 Genloci für die Migräne identifiziert hat (Nature Genetics),

  • eine Kohortenstudie mit 115.541 Frauen aus den USA, die erneut zeigt, dass Frauen mit Migräne ein etwas erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen haben (BMJ),

  • eine randomisierte Studie, die zweifelsfrei zeigt, dass der perkutane Verschluss eines offenen Foramen ovale bei der Migräne mit Aura nicht wirksam ist (Europ Heart J),

  • eine Studie aus Boston, die zeigt, dass Migränepatienten, die unter einer Photophobie leiden, grünes Licht besonders schlecht vertragen (Brain),

  • eine Hamburger Studie, in der eine Migränepatientin über 30 Tage jeden Tag in der Kernspintomografie untersucht wurde. Diese Studie zeigt, dass der Hypothalamus, die Trigeminuskerne sowie der Migränegenerator in der dorsalen rostralen Brücke eine wichtige Rolle in der Migräne spielen (Brain),

  • eine große Studie aus Dänemark, die zeigt, dass Patienten mit einer Migräne mit Aura kein erhöhtes Risiko für stumme Hirninfarkte und „white matter lesions“ haben (Brain).

Wie Sie sehen, gibt es wesentliche Fortschritte in der Migräneforschung.