Mit Incobotulinumtoxin A (Xeomin®) kam vor zehn Jahren das erste komplexproteinfreie Botulinum-Neurotoxin (BoNT)-Präparat auf den Markt. Seine Wirksamkeit bei Spastik der oberen Extremität nach Schlaganfall, Blepharospasmus und zervikaler Dystonie ist durch placebokontrollierte Studien belegt [Kaňovský P et al. J Rehabil Med 2011; 43: 486 – 92; Truong DD et al. J Neural Transm 2013; 120: 1345 – 53; Evidente VG et al. J Neural Transm 2013; 120: 1699 – 707]. Bei Patienten mit Blepharospasmus und zervikaler Dystonie lag das häufigste Injektionsintervall im Bereich von zwölf bis 13 Wochen [Evidente VG et al. J Neurol Sci 2014; 346: 116 – 20]. Bei rund 30 % der Behandlungen benötigten Patienten jedoch schon nach sechs bis neun Wochen eine erneute Injektion, gab Dr. Jörg Müller, Berlin, zu bedenken. Bei anderen reichten Intervalle von mehr als 13 Wochen. Auch in einer Studie mit anderen BoNT-Präparaten erwiesen sich Intervalle von zwölf Wochen für viele Patienten mit zervikaler Dystonie als zu lang. So waren zum Zeitpunkt des Wirkmaximums 78 % der 136 Patienten mit der Therapie zufrieden [Sethi KD, Rodriguez R, Olayinka B. J Med Econ 2012; 15: 419 – 23]. Sieben bis zehn Wochen nach der Injektion lag der Anteil aber nur noch bei rund 50 % und direkt vor der Reinjektion bei noch 14 %. „Das spricht für eine individualisierte, flexible Therapie“, so Müller.

Laut einer Befragung zur BoNT-Therapie bei Spastizität nach Schlaganfall ließen sich nach Einschätzung von etwa einem Drittel der Ärzte mit höheren Dosierungen bessere Ergebnisse erzielen. Die Sicherheit der Hochdosistherapie mit Incobotulinumtoxin A belegt dabei eine nicht interventionelle Studie mit 130 Patienten mit Dystonie oder Spastik [Dressler D et al. J Neural Transm 2015; 122: 327 – 33]. Bei durchschnittlich etwa zehn Injektionsbehandlungen wurden in der Hochdosisgruppe bis zu 1.200 Einheiten (im Mittel 570 Einheiten) pro Behandlung injiziert. Die Befragung der Patienten ergab keine Hinweise auf systemische Toxizität. Aus Sicht von Professor Jörg Wissel, Berlin, ist in der Reduktion des Proteingehaltes ein wesentlicher Fortschritt in der Entwicklung der BoNT-Präparate zu sehen. Dass Incobotulinumtoxin als bislang einziges vollkommen komplexproteinfreies Präparat nicht in einer Kühlkette gelagert werden muss, gewährleiste auch in Deutschland eine höhere Behandlungssicherheit. Fälle eines antikörpervermittelten Therapieversagens seien bis heute nicht dokumentiert.