Fragestellung: Kann D-Cycloserin (DCS) bei Patienten mit Zwangsstörungen die Effekte von kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) verstärken und welche Wechselwirkungen bestehen zwischen DCS und gleichzeitiger antidepressiver Medikation?

Hintergrund: DCS, ein partieller N-Methyl-D-Aspartat Agonist (NMDA), verstärkt nach tierexperimentellen Ergebnissen die Angstextinktion. Es ist unklar, ob DCS bei Menschen die Effekte von Exposition im Rahmen einer KVT bei Patienten mit Zwangsstörungen verstärken kann.

Patienten und Methodik: Im Rahmen einer randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie wurden 128 ambulante Patienten mit primärer Zwangsstörung und einem Wert von mindestens 16 auf der Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS) eingeschlossen. Eine begleitende antidepressive Medikation war erlaubt, wenn das Medikament mindestens zwei Monate vor Einschluss in die Studie mit konstanter Dosis verabreicht und während der Studie nicht mehr verändert wurde. Alle Patienten erhielten eine bereits als wirksam etablierte internetbasierte KVT über zwölf Wochen und erhielten nach randomisierter Zuteilung entweder zusätzlich 50 mg DCS oder Placebo, jeweils eine Stunde vor den jeweils insgesamt fünf Sitzungen mit Exposition und Reaktionsverhinderung. Der Therapieerfolg wurde anhand eines Y-BOCS-Fremdratings am Ende der zwölfwöchigen Behandlung sowie in einem Dreimonats-Follow-up gemessen.

Ergebnisse: In der primären Intention-to-treat-Analyse führte DCS nicht zu einer signifikanten Verstärkung der Effekte von KVT im Vergleich mit Placebo (dies galt sowohl für Woche 12, als auch für das Dreimonats-Follow-up). Eine Post-hoc-Analyse zeigte einen signifikant geringeren Therapieerfolg in der DCS-Gruppe, die gleichzeitig Antidepressiva erhielt, nicht jedoch in der Gruppe, die Placebo plus Antidepressiva erhielt.

In der DCS-Gruppe erreichte ein signifikant größerer Anteil von nicht mit Antidepressiva medizierten Patienten den Remissionsstatus im Follow-up (Remission definiert Y-BOCS < 12 Punkte) verglichen mit Patienten, die Antidepressiva einnahmen.

Schlussfolgerungen: Die Befunde weisen darauf hin, dass Antidepressiva eine Wechselwirkung mit DCS eingehen, indem Antidepressiva den beschleunigenden Effekt von DCS auf Angstextinktion blockieren. DCS könnte nach den vorliegenden Befunden eine Augmentationsstrategie für KVT bei Patienten mit Zwangsstörungen sein, allerdings nur bei Patienten, die keine Antidepressiva einnehmen.

Kommentar von Ulrich Voderholzer, Prien am Chiemsee

Negative Interaktion zwischen Antidepressiva und D-Cycloserin

Entgegen der Hypothese wurde in dieser Studie keine signifikante Verstärkung des Therapieerfolgs von KVT mit Exposition durch DCS festgestellt. Einschränkend soll darauf hingewiesen werden, dass es sich um ambulante Patienten handelte, die per Annonce für die Studienteilnahme rekrutiert wurden und der Großteil der Therapiesitzungen und des Monitorings per Internet erfolgte. Allerdings haben bereits mehrere Studien die gute Wirksamkeit einer internetbasierten KVT mit angeleiteten Expositionen bei mäßig schwer erkrankten Patienten mit Zwangsstörungen nachgewiesen. Etwas kritisch ist auch die Überprüfung der Einnahme sowohl der Studienmedikation als auch der Antidepressiva zu sehen, zumal offensichtlich keine Plasmaspiegelbestimmungen durchgeführt wurden. Die Autoren verweisen auf ein ausgeklügeltes System der Überprüfung der Medikamentencompliance mit Hilfe mikroelektronischer Chips in den Medikationsbehältern, die Datum und Uhrzeit des Öffnens der Behälter registrierten.

Ein überraschendes und bemerkenswertes Ergebnis ist die negative Interaktion zwischen Antidepressiva und DCS, die sich offensichtlich in ihrer therapeutischen Wirkung blockierten. Die Autoren verweisen hier auf tierexperimentelle Befunde, die eine Herunterregulation der NMDA-Rezeptoren nach Langzeitgabe von verschiedenen Antidepressiva zeigen konnten. In zukünftigen Studien mit DCS sollte darauf geachtet werden, ob die Patienten Antidepressiva einnehmen und wie lange bereits. Die Wechselwirkungen zwischen DCS, Antidepressiva und den Effekten von Exposition sollten auf jeden Fall weiter untersucht werden. Antidepressiva hatten in der Placebogruppe keinen signifikanten Einfluss auf den Erfolg einer Expositionsbehandlung.

Die Ergebnisse regen dazu an, in künftigen Studien mögliche Interaktionen zwischen Antidepressiva und Extinktionslernen auch unabhängig von DCS zu untersuchen.

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Prof. Dr. med. Ulrich Voderholzer, Prien am Chiemsee