Fragestellung: Das Ziel dieser Studie war es, einen Zusammenhang zwischen Gastritis, affektiven Störungen und Angsterkrankungen in einer repräsentativen Population zu untersuchen.

Hintergrund: Affektive Störungen und Angsterkrankungen sind mit verschiedenen gastrointestinalen Erkrankungen wie Morbus Crohn, Magengeschwüren und Reizdarmsyndrom assoziiert. Patienten die an Gastritis erkranken leiden häufig auch unter depressiven Symptomen. Bisher gab es keine epidemiologische Untersuchung zu Gastritis und psychischen Erkrankungen.

Patienten und Methodik: 4.181 Probanden im Alter von 18 bis 65 Jahren wurden aus 113 Bezirken der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1997 rekrutiert. Der sozioökonomische Status wurde anhand des Schulabschlusses, der Beschäftigung und des Einkommens erhoben. Studienärzte stellten die Diagnose Gastritis anhand einer standardisierten Anamnese. Das „Munich Composite International Diagnostic Interview“ wurde zur Diagnose einer akuten oder remittierten psychischen Störung verwendet.

Folgende Diagnosen waren Gegenstand der Untersuchung: unipolare Depression, Dysthymie, bipolare affektive Störung, Panikstörung, soziale Phobie, spezifische Phobie, generalisierte Angststörung und Zwangsstörung.

Die bivariate Analyse wurde zur Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Gastritis und demografischen Faktoren sowie zwischen Gastritis und affektiver Störung/Angsterkrankung verwendet. Der Zusammenhang zwischen Gastritis und den einzelnen Erkrankungen sowie des Geschlechtsunterschiedes war Gegenstand multipler logistischer Regressionen.

Ergebnisse: Die Prävalenz der Gastritis war bei Frauen signifikant höher als bei Männern. Ein Zusammenhang mit dem Alter wurde nicht gefunden. Die Diagnose „Gastritis“ war mit einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit für Panikattacken, soziale Phobie und andere Angsterkrankungen, schwere depressive Episoden sowie andere affektive Störungen assoziiert. Dieser Zusammenhang war bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen. Der sozioökonomische Status hatte dagegen keinen Einfluss.

Schlussfolgerungen: Einerseits trägt die Behandlung psychischer Erkrankungen möglicherweise zur Reduktion gastrointestinaler Beschwerden bei. Andererseits sollte bei der medikamentösen Behandlung einer psychischen Erkrankung auf gastrointestinale Beschwerden geachtet, und darauf reagiert werden. Ein Screening von Patienten, die unter Gastritis leiden, auf psychische Erkrankungen erscheint angesichts der vorliegenden Zahlen sinnvoll.

Kommentar von Matthias Bergner, Erlangen

Gastritis und psychische Erkrankungen: Was ist Henne, was ist Ei?

Es handelt sich um eine epidemiologische Untersuchung des Zusammenhanges zwischen Gastritis und psychischen Erkrankungen. Dass dieser Zusammenhang bestätigt wurde, erscheint nicht überraschend, ist aber in seiner Deutlichkeit bemerkenswert. Die Untersuchung gibt keinen Aufschluss über die Frage, ob Gastritis, und die durch sie bedingte Schmerzen und funktionellen Einschränkungen die Entstehung psychischer Erkrankungen begünstigt, oder ob die Gastritis durch psychische Erkrankungen hervorgerufen wird. Denkbar sind auch gemeinsame genetische Faktoren oder Umweltfaktoren. Gastritis kann auch als unerwünschte Nebenwirkung einer antidepressiven, analgetischen oder anderer Therapie auftreten. Zur Beurteilung dieses Einflussfaktors wären Informationen bezüglich der eingenommenen Medikamente hilfreich.

Einschränkend ist außerdem anzumerken, dass keine objektive Diagnostik bezüglich dem Vorliegen einer Gastritis durchgeführt wurde, sondern lediglich Angaben der Patienten herangezogen wurden.

Die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse war stellenweise erschwert, da es bei der Formulierung bezüglich des Stadiums der Gastritis (akut oder remittiert) zu einer Verwechslung kam. Diese Schwierigkeit setzte sich bei den Gesamtfallzahlen in allen Tabellen fort, die nicht die Summe der Einzelwerte ergeben. Dies stellt die Reliabilität der Veröffentlichung in Frage. Schlussfolgerungen für die klinische Tätigkeit sollten auf Grundlage dieser Ergebnisdarstellung nicht gezogen werden.

figure 1

Dr. med. Matthias Bergner, Erlangen