Fragestellung: Kann eine minimal-invasive neurochirurgische Prozedur in Kombination mit lokaler Lyse mit rt-PA die Prognose von intrazerebralen Blutungen verbessern?

Hintergrund: Zerebrale Blutungen haben mit einer Sterblichkeitsrate von 40–50% weiterhin eine sehr viel schlechtere Prognose als zerebrale Ischämien mit einer Mortalität von 10–15%. Die Schädigung des Gehirns kommt nicht nur unmittelbar durch den raumfordernden Effekt der Blutung selbst zustande, sondern auch mit zeitlicher Verzögerung durch die Bildung eines meist ausgeprägten Ödems um die eigentliche Blutung herum. Randomisierte Studien mit offener Hämatomausräumung durch Kraniektomie zeigten keine Überlegenheit gegenüber einer konservativen Therapie. Deshalb ist es notwendig neue minimal-invasive neurochirurgische Verfahren zu entwickeln, um die Prognose insbesondere von Basalganglienblutungen zu verbessern. Einer dieser neuen Ansätze wurde in Baltimore an der Johns Hopkins Universität entwickelt. Die Neurochirurgen dort benutzen einen minimal-invasiven Zugang und platzieren einen kleinen Katheter in die Blutung. Dann wird die Blutung durch die lokale Gabe von rt-PA lysiert und abgesaugt.

Patienten und Methodik: Es handelt sich bei der MISTIE-Studie um eine kombinierte Dosisfindungs- und Sicherheitsstudie als Vorbereitung für eine größere Phase-III-Studie. Die Studie wurde randomisiert durchgeführt. 79 Patienten wurden operativ behandelt und 39 konservativ. Der primäre Endpunkt der Studie war die Reduktion der Hämatomgröße und das Ausmaß des um die Blutung herum gelegenen Ödems. Alle Patienten erhielten initial ein CT und die Größe der Blutung wurde von zwei unabhängigen Neuroradiologen ausgemessen. Dann erfolgten weitere CT nach jeweils 24 Stunden beziehungsweise am Ende des neurochirurgischen Eingriffs. Im Rahmen des Eingriffes erfolgte die lokale Gabe von rt-PA 1 ml alle 8 Stunden bis entweder die Blutung auf 20% ihrer ursprünglichen Größe geschrumpft war oder unter 10 cm3 betrug.

Ergebnisse: Die Patienten waren im Schnitt 60 Jahre alt und 67% waren Männer. Mehr als die Hälfte der Blutungen lag im Putamen, etwa ein Drittel waren lobäre Blutungen, die restlichen Blutungen fanden sich im Thalamus und im Globus pallidus. Bei 12% der Patienten in der Operationsgruppe und 53% in der konservativen Behandlungsgruppe musste zusätzlich eine Osmotherapie zur Senkung des Hirndrucks durchgeführt werden. Das Volumen des Hämatoms betrug am Ende der Behandlung in der chirurgischen Kohorte 19 cm3 und in der konservativ behandelnden Gruppe 40 cm3. Das Volumen des Hirnödems betrug in der chirurgischen Gruppe am Ende der Behandlung 27 cm3 und in der konservativen Behandlungsgruppe 41 cm3. Es bestand eine eindeutige hohe Korrelation zwischen dem Ausmaß des Ödems um die Blutung herum und der Größe der Blutung selbst.

Schlussfolgerungen: Die Reduktion der Hämatomgröße ist über einen minimal-invasiven neurochirurgischen Zugang mit der lokalen Gabe von rt-PA möglich und reduziert auch das Ödem, dass um die Blutung herum liegt.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Prognostisch vielversprechend

Die intraventrikuläre Lyse mit rt-PA bei Blutungen, die in die Ventrikel eingebrochen sind, ist in der Zwischenzeit in den meisten neurochirurgischen und neurologischen Intensivstationen in Deutschland therapeutischer Standard. Die in Baltimore entwickelte Methode mit der parenchymatöse Blutungen offenbar durch die lokale Gabe von rt-PA signifikant verkleinert werden können und auch das umgebende Ödem reduziert wird, ist sehr Erfolg versprechend. In der in Stroke publizierten Arbeit werden allerdings die klinischen Endpunkte nicht berichtet, da hierfür eine Beobachtungszeit von 90 Tagen beziehungsweise einem Jahr notwendig ist. Auf dem US-amerikanischen Schlaganfallkongress wurden aber die Ergebnisse nach 90 Tagen berichtet, die für die operative Gruppe signifikant besser waren als für die konservativ behandelte Gruppe. Dies betraf sowohl die Sterblichkeit als auch den klinischen Outcome. Die Arbeitsgruppe aus Baltimore plant jetzt eine größere Phase-III-Studie um die Wirksamkeit dieser neuen minimal-invasiven Therapie zu belegen.