Fragestellung: Die randomisierte Multicenterstudie untersucht, ob intravenös verabreichtes Immunglobulin (Octagam) die Plasma-β-Amyloid-Konzentration (Aβ1ȃ40, Aβ1–42), den klinischen Verlauf, das globale Hirnvolumen sowie das Hippocampusvolumen bei Patienten mit Morbus Alzheimer beeinflusst.

Hintergrund: Gegenwärtige Pathophysiologiekonzepte besagen, dass gegen β-Amyloid gerichtete Antikörper beim Morbus Alzheimer vermindert sind, was zu einer gestörten β-Amyloid-Degradation und Elimination führt. In einer offenen Studie konnte gezeigt werden, dass die Gabe intravenöser Immunglobuline bei Patienten mit Morbus Alzheimer zu einer Erhöhung der β-Amyloid-Konzentration im Plasma führt, was als Hinweis eines verstärkten Abtransports aus dem zentralen Nervensystem bewertet wird. Eine kleine placebokontrollierte Studie beobachtete bei Patienten mit Alzheimer-Demenz eine Verbesserung der Kognition nach intravenöser Immunglobulingabe.

Patienten und Methodik: In der hier vorliegenden doppelblinden randomisierten Multicenterstudie an 55 Patienten mit wahrscheinlichem Morbus Alzheimer (Minimental State Examination [MSE] Score 16 bis 26; Alter 50 bis 85 Jahre) wurde über einen Zeitraum von sechs Monaten der Einfluss von Placebo beziehungsweise intravenösem Immunglobulin (Octagam; 0,1 g/kg, 0,25 g/kg oder 0,4 g/kg zweimal wöchentlich sowie 0,2 g/kg, 0,5 g/kg oder 0,8 g/kg viermal wöchentlich) auf die Plasma- und Liquor-β-Amyloid-Konzentrationen (Aβ1–40, Aβ1–42), den klinischen Verlauf sowie die Veränderungen des globalen Hirnvolumens und des Hippocampusvolumens analysiert.

Ergebnisse: Die intravenöse Immunglobulingabe beeinflusste die Plasma- und Liquor-Aβ1–40- und Aβ1–42-Konzentrationen, den klinischen Verlauf sowie die Entwicklung des globalen Hirnvolumens und des Hippocampusvolumens bei Alzheimer-Patienten nicht. Die intravenöse Immunglobulintherapie war sicher, unerwünschte Wirkungen unterschieden sich zwischen den Behandlungsarmen nicht.

Schlussfolgerungen: Vorausgegangene Beobachtungen eines günstigen Effekts der intravenösen Immunglobulingabe auf die β-Amyloid-Konzentrationen im Plasma und den klinischen Verlauf beim Morbus Alzheimer konnten in dieser Untersuchung nicht bestätigt werden.

Kommentar von Dirk Hermann, Essen

Keine konsistenten Trends

Auch wenn die Autoren betonen, dass es sich bei ihrer Studie um die größte bislang durchgeführte Untersuchung zum Einfluss von intravenösem Immunglobulin bei Patienten mit Morbus Alzheimer handelt, eignet sich die vorgelegte Arbeit angesichts der Vielzahl der Behandlungsarme (Stichprobengrößen von fünf bis sieben Patienten je Behandlungsarm) vor allem zur Bewertung von Effekten auf die Aβ1–40- und Aβ1–42-Konzentration in Plasma und Liquor. Unter Berücksichtigung der großen Streubreite der β-Amyloid-Messergebnisse mit Standardabweichungen, welche im Placebovergleich die Nulllinie jeweils weit überschritten, konnten in den unterschiedlichen Behandlungsarmen keinerlei konsistente Trends beobachtet werden, die auf eine Beeinflussung der Alzheimer-Krankheitsentwicklung hinweisen. Ob angesichts der fehlenden Surrogatmarkereffekte größere klinische Verlaufsstudien vielversprechend sind, muss offen bleiben.

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Prof. Dr. med. Dirk Hermann, Essen Lehrstuhlinhaber Vaskuläre Neurologie, Demenz & Altersforschung, Universitätsklinikum Essen E-Mail: dirk.hermann@uk-essen.de