Fragestellung: Kann die frühe Gabe von intravenöser Acetylsalicylsäure die Rekanalisierung nach systemischer Thrombolyse mit Gewebeplasminogenaktivator verhindern und die Prognose verbessern?

Hintergrund: Die systemische intravenöse Thrombolyse mit rekombinantem Gewebeplasminogenaktivator (rt-PA) ist die einzig zugelassene medikamentöse Therapie des akuten ischämischen Insults im 4,5-Stunden-Fenster. Die Rekanalisierungsrate beträgt etwa 50%. Bei etwa 15–20% der Patienten kommt es dann zu einem erneuten Verschluss des ursprünglich rekanalisierten Gefäßes. Diese Gefäßverschlüsse sind Prädiktoren für einen schlechten Outcome. Nach den derzeitigen Leitlinien soll die Thrombozytenaggregation mit Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel oder Acetylsalicylsäure plus Dipyridamol frühestens 24 Stunden nach der Gabe von rt-PA erfolgen. Die holländischen Autoren wollten herausfinden, ob die frühe Gabe von intravenöser Acetylsalicylsäure möglicherweise den Reverschluss nach Thrombolyse verhindert und die Prognose verbessert.

Patienten und Methodik: ARTIS („Antiplateled therapy in combination with rt-PA thrombolysis in ischemic stroke“) war eine prospektive randomisierte offene Studie mit verblindeter Adjudizierung der Endpunkte. 37 Schlaganfallzentren in Holland nahmen an der Studie teil. Alle Patienten, die lysiert wurden, erhielten randomisiert entweder 300 mg Acetylsalicylsäure intravenös innerhalb von 90 Minuten nach dem Beginn der Behandlung mit rt-PA oder keine Behandlung. Die orale Sekundärprävention mit Thrombozytenfunktionshemmern begann 24 Stunden nach der Gabe von rt-PA. Der primäre Endpunkt der Studie war ein guter Outcome, definiert als ein Score von 0–2 auf der modifizierten Ranking-Skala nach drei Monaten.

Ergebnisse: Zwischen Juli 2008 und April 2011 wurden 642 Patienten in die Studie eingeschlossen. 322 erhielten intravenöse Acetylsalicylsäure und 350 die Standardtherapie. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Studie vom Sicherheitskomitee vorzeitig abgebrochen, da es eine signifikante Erhöhung symptomatischer intrakranieller Blutungen in der Acetylsalicylsäure-Gruppe gab. Nach drei Monaten hatten 174 Patienten in der Acetylsalicylsäure-Gruppe einen guten Outcome verglichen mit 183 in der Standardtherapiegruppe. Die entsprechenden Prozentzahlen waren 54,0% und 57,2%. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant. In der Acetylsalicylsäure-Gruppe kam es zu 14 symptomatischen zerebralen Blutungen, in der Standardtherapiegruppe zu fünf. Dieser absolute Unterschied von 2,8% war statistisch signifikant. Symptomatische Blutungen waren auch der wichtigste Prädiktor für einen schlechten Outcome in der Acetylsalicylsäure-Gruppe.

figure 1

1 Verteilung der Scores auf der modifizierten Ranking-Skala.

© Lancet 2012

Schlussfolgerung: Die frühe Gabe von Acetylsalicylsäure bei Patienten mit akutem ischämischem Insult, die lysiert werden, verbessert den Outcome nicht und erhöht das Risiko parenchymatöser Hirnblutungen.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Plättchenhemmer erst nach 24 Stunden

Diese große randomisierte Studie ist außerordentlich wertvoll, da sie eine wichtige klinische Frage beantwortet. Die zusätzliche frühe Gabe eines Thrombozytenfunktionshemmers zu rt-PA ist nicht in der Lage, die Prognose von Patienten mit akutem ischämischem Insult zu verbessern, sondern erhöht signifikant das Risiko von parenchymatösen Hirnblutungen. Daher sollte der bisherige Standard beibehalten werden und diese Patienten sollten frühestens 24 Stunden nach der Gabe von rt-PA einen Thrombozytenfunktionshemmer erhalten.

figure 2

Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen Direktor der Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen E-Mail: h.diener@uni-essen.de