Fragestellung: Ist die bilaterale Stimulation des Nervus occipitalis major in der Prophylaxe der chronischen Migräne wirksam?

Hintergrund: Die chronische Migräne ist eine Entität, die erst seit einigen Jahren durch die „Internationale Kopfschmerz-Gesellschaft operational“ definiert wurde. Die Prävalenz der chronischen Migräne in der Bevölkerung liegt zwischen 1% und 2%. Bei der chronischen Migräne handelt es sich um eine Erkrankung mit mindestens 15 Kopfschmerztagen pro Monat, von denen acht die Kriterien einer Migräne ohne Aura erfüllen müssen oder auf spezifische Migränemittel ansprechen. Derzeit wissenschaftlich belegt und zugelassen zur Behandlung der chronischen Migräne sind das Antiepileptikum Topiramat und Botulinumtoxin. Die bilaterale Stimulation des Nervus occipitalis major wurde bisher überwiegend bei Patienten mit therapierefraktärem Clusterkopfschmerz durchgeführt. Nach mehreren kleineren offenen Studien wurde jetzt eine erste größere Prophylaxestudie bei Patienten mit chronischer Migräne durchgeführt.

Patienten und Methodik: Es handelt sich um eine randomisierte multizentrische Studie in die Patienten mit chronischer Migräne eingeschlossen wurden. Die Studie wurde in den Vereinigten Staaten durchgeführt. Alle Patienten mussten zunächst einen Monat lang ein Tagebuch führen. Dann wurde festgelegt, ob sie randomisiert werden konnten. Patienten, die mit Botulinumtoxin vorbehandelt waren, wurden von der Studie ausgeschlossen. Insgesamt wurden 157 Patienten randomisiert, von denen 105 eine elektrische Stimulation erhielten und 52 eine Scheinstimulation. Der primäre Endpunkt war der Prozentsatz der Responder. Ein Responder wurde definiert als ein Patient mit einer mindestens 50%igen Reduktion der täglichen Schmerzintensität, gemessen auf einer visuellen Analogskala. Erfasst wurde der primäre Endpunkt über einen Zeitraum von zwölf Wochen. Als Neurostimulator wurde ein Stimulator der Firma St. Jude Medical verwendet.

Ergebnisse: Die Patienten waren im Mittel 65 Jahre alt und 80% waren Frauen. Im Mittel hatten die Patienten an 20 Tagen im Monat Kopfschmerzen und die mittlere Schmerzintensität zu Beginn der Studie auf einer Skala von 0–100 lag bei 58 mm. Bezüglich des primären Endpunktes ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Patienten, bei denen die Neurostimulation durchgeführt wurde verglichen mit den Patienten, die eine Scheinstimulation erhielten. Es ergab sich allerdings ein signifikanter Unterschied, wenn eine 30%ige Reduktion der Schmerzintensität als Zielparameter verwendet wurde. Bei den aktiv behandelten Patienten ergab sich auch eine signifikante Reduktion der Kopfschmerztage von sechs Tagen verglichen mit der Kontrollgruppe von drei Tagen.

Es traten relativ viele Nebenwirkungen auf. Am häufigsten wurden Dislokationen der Reizelektroden und persistierende Schmerzen an der Implantationsstelle angegeben.

1
figure 1

Prozentualer Anteil der Responder (Reduktion der mittleren täglichen Schmerzintensität um 50% auf der VAS).

Schlussfolgerungen: Die bilaterale Stimulation des Nervus occipitalis major bei Patienten mit chronischer Migräne ist nicht wirksam bezüglich einer Reduktion der mittleren Schmerzintensität um mindestens 50%.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Ernüchterndes Ergebnis

Das Ergebnis dieser sehr großen und technisch gut durchgeführten Studie ist ernüchternd. Die Studie war für den primären Endpunkt eindeutig negativ. Für eine Reihe von sekundären Endpunkten ergab sich eine Überlegenheit der Stimulation des Nervus occipitalis major im Vergleich zur Scheinstimulation. Kritisch angemerkt werden muss, dass es eine insgesamt inakzeptable Zahl von Komplikationen des operativen Eingriffs gab, was dafür spricht, dass einige der implantierenden Neurochirurgen noch nicht genügend Erfahrung mit dieser Methode hatten.

Die Ergebnisse sind auch nur sehr bedingt auf die Verhältnisse in Deutschland übertragbar, da eine integrierte Versorgung von Patienten mit chronischer Migräne mit Betreuung durch Neurologen, Verhaltenspsychologen, Physio- und Sporttherapeuten in den USA in aller Regel nicht angeboten wird. Allerdings ist noch eine zweite Studie notwendig um das negative Studienergebnis gegebenenfalls zu replizieren.