Fragestellung: Ist Alemtuzumab in der Therapie der schubförmigen Multiplen Sklerose (MS) auch bei Patienten mit hoch aktiver Erkrankung wirksamer als subkutanes Interferon-beta-1a 44 μg?

Hintergrund: In der CARE-MS-II-Studie wurden Patienten mit hoher Erkrankungsaktivität untersucht, also jene Patienten, die unter einer bestehenden immunmodulativen Dauertherapie weiterhin Schübe hatten.

Patienten und Methodik: Die CARE-MS-II-Studie war eine zweijährige, dreiarmige, randomisierte kontrollierte Phase-III-Studie bei Patienten im Alter von 18 bis 55 Jahren mit schubförmigen MS, die mindestens einen Schub unter Interferon-beta oder Glatirameracetat erlitten hatten. Die Patienten wurden im Verhältnis 1:2:2 in drei Studienarme randomisiert: Interferon-beta-1a 44 μg, Alemtuzumab 12 mg oder Alemtuzumab 24 mg. Während Interferon-beta-1a dreimal pro Woche verabreicht wurde, wurde Alemtuzumab zu Beginn im ersten Jahr an fünf Tagen hintereinander gegeben und im zweiten Jahr an drei Tagen hintereinander (für den gesamten Zeitraum von zwei Jahren). Der dritte Studienarm mit Alemtuzumab 24 mg wurde im Dezember 2008 beendet, um die Randomisierung in die beiden anderen Studienarme zu beschleunigen. Die Randomisierung erfolgte ab diesem Zeitpunkt 2:1 zugunsten von Alemtuzumab 12 mg. Primäre Endpunkte waren die Schubrate sowie die Behinderungsprogression.

Ergebnisse: 202 Patienten (87%) wurden in die Interferon-beta-1a-Gruppe, 426 (98%) in die Alemtuzumab-Gruppe randomisiert. Unter Interferon erlitten 51% der Patienten einen Schub, unter Alemtuzumab nur etwa 35%. Dies entsprach einer Reduktion des Schubrisikos unter Alemtuzumab um 49,4%. Zudem waren 47% der Patienten unter Interferon während zwei Jahren schubfrei, unter Alemtuzumab 65% (p < 0,0001). 20% der Patienten unter Interferon zeigten eine anhaltende bestätigte Behinderungsprogression, aber nur 13% unter Alemtuzumab (p = 0,008). Dies entsprach einer Reduktion des Progressionsrisikos unter Alemtuzumab um 42%. Wie in der CARE-MS-I-Studie wiesen circa 90% der Alemtuzumab-Patienten infusionsassoziierte Reaktionen auf, 77% Infektionen (66% unter Interferon), allerdings nur von mittlerer bis mittelgradiger Intensität ohne fatale Fälle. Allerdings zeigten auch 16% unter Alemtuzumab eine Schilddrüsenerkrankung und circa 1% eine Immunthrombozytopenie.

Schlussfolgerungen: Auch bei hochaktiver Erkrankung ist Alemtuzumab deutlich wirksamer als subkutanes Interferon-beta-1a. Anders als in der CARE-MS-I-Studie verringerte Alemtuzumab im Vergleich zu Interferon-beta-1a signifikant das Risiko einer Behinderungsprogression.

Kommentar von Volker Limmroth, Köln

Alemtuzumab überzeugt auf ganzer Linie

Die CARE-MS-II-Studie zeigt eindrucksvoll, wie wirksam Alemtuzumab in der Behandlung der schubförmigen MS ist. In die Studie waren insbesondere hochaktive Patienten eingebunden, das belegt, dass Alemtuzumab offensichtlich vor allem auch bei Patienten mit hoher Erkrankungsaktivität erfolgreich ist. Anders als bei der CARE-MS-I-Studie war der Unterschied hinsichtlich der Reduktion der Erkrankungsprogression eindeutig signifikant, wie auch in den Phase-II-Studien. Diese eindeutige Signifikanz kommt im Vergleich zur CARE-MS-I-Studie offensichtlich durch die höhere Zahl der eingeschlossenen Patienten, aber auch durch die höhere Erkrankungsaktivität zustande.

Das Nebenwirkungsspektrum ist inzwischen gut charakterisiert und entsprach auch in dieser Studie den Daten der vorherigen Studien. Die Besonderheit von Alemtuzumab ist, dass es neben infusionsassoziierten Reaktionen, die eigentlich bei allen monoklonalen Antikörpern zu beobachten sind, sekundäre Autoimmunerkrankungen induzieren kann. Ganz im Vordergrund stehen hierbei Schilddrüsenerkrankungen bei fast einem Viertel aller Patienten sowie bei circa 1% die immune Thrombozytopenie. All diese Erkrankungen müssen allerdings früh diagnostiziert werden, da sie dann gut behandelbar sind.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Alemtuzumab eine hochwirksame Substanz für Patienten mit hoher Krankheitsaktivität ist. Das Nebenwirkungsprofil ist etwas kompliziert, aber gut handhabbar.