Fragestellung: Welche neuen Erkenntnisse gibt es zum Einsatz neuer oraler Antikoagulanzien zur Schlaganfallprävention bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern?

Hintergrund: In den letzten beiden Jahren sind vier große Studien zu den neuen oralen Antikoagulanzien Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban erschienen. Die Autoren fassen die Ergebnisse dieser Studien zusammen und setzen sie in den Kontext der bisher eingesetzten Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern.

Methodik: Es handelt sich um eine Übersichtsarbeit mit systematischer Literaturrecherche.

Ergebnisse: Die orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten in einem INR-Bereich zwischen 2,0 und 3,0 führt zu einer hochsignifikanten Risikoreduktion von 64% mit einem signifikanten Anstieg von intrakrniellen Blutungen und schwerwiegenden Blutungskomplikationen. In der Sekundärprävention ist Warfarin ebenfalls signifikant wirksamer als Placebo. In einer direkten Vergleichsstudie war Warfarin signifikant wirksamer als die Kombination von Clopidogrel und Aspirin. Bezüglich der Blutungskomplikationen ergaben sich keine Unterschiede. Die neuen oralen Antikoagulanzien wurden in insgesamt vier Studien untersucht:

Die RE-LY-Studie untersuchte in einer dreiarmigen Studie bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern eine niedrige Dosis von 2 x 110 mg Dabigatran, mit einer höheren Dosis von 2 x 150 mg und Warfarin. Bezüglich des primären Endpunktes, Schlaganfälle und systemische Embolien, war die niedrige Dosis von Dabigatran nicht unterlegen zu Warfarin und die höhere Dosis war signifikant wirksamer. Bezüglich schwerwiegender Blutungskomplikationen war die niedrige Dosis signifikant weniger gefährlich als Warfarin, die höhere Dosis hatte ein vergleichbares Blutungsrisiko. Beide Dosierungen führten zu einer hochsignifikanten Reduktion intrakranieller Blutungskomplikationen im Vergleich zu Warfarin.

In der ROCKET-AF-Studie wurde Rivaroxaban 20 mg 1 x täglich in einer Hochrisikopopulation mit Warfarin verglichen. Hier kam es in der Per-Protokoll-Analyse zu einer signifikanten Reduktion von Schlaganfällen und systemischen Embolien zugunsten von Rivaroxaban bei identischer Häufigkeit von Blutungskomplikationen. Intrakranielle Blutungen waren auch unter Rivaroxaban signifikant geringer als unter Warfarin.

Apixaban 2 x 5 mg wurde in der ARISTOTLE-Studie mit Warfarin verglichen. Hier zeigte sich zugunsten von Apixaban eine signifikante 11%ige Reduktion der Mortalität, eine 22%ige Reduktion von Schlaganfällen und systemischen Embolien und eine 31%ige Reduktion schwerwiegender Blutungskomplikationen. In allen drei Studien waren die Ergebnisse in der Sekundärprävention, das heißt bei Patienten nach TIA oder Schlaganfall mit den Daten der Primärprävention vergleichbar.

In der AVERROES-Studie wurde Apixaban 2 x 5 mg mit Acetylsalicylsäure verglichen bei Patienten, die entweder keine Vitamin-K-Antagonisten einnehmen wollten oder bei denen nach Ansicht des behandelnden Arztes eine Kontraindikation für die Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten bestand. Diese Studie wurde vorzeitig abgebrochen bei einer hochsignifikanten Überlegenheit von Apixaban gegenüber Warfarin. Es ergab sich kein Unterschied in den schwerwiegenden Blutungskomplikationen.

Die Autoren führten eine Metaanalyse der Studien durch, welche die neuen Antikoagulanzien mit Warfarin verglichen, dabei fanden sie eine fast signifikante 8%ige Risikoreduktion für Schlaganfälle und systemische Embolien, eine deutlich signifikante Reduktion zerebraler Blutungen und eine 10%ige relative Risikoreduktion für Mortalität. Bezüglich schwerwiegender extrakranieller Blutungskomplikationen und Myokardinfarkten ergab sich kein Unterschied.

Am Schluss gehen die Autoren darauf ein, welche Patienten sich am besten für die neuen Antikoagulanzien eignen. Dies sind in erster Linie Patienten, die bisher nicht oder schlecht mit Vitamin-K-Antagonisten behandelt sind. Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko sollten bevorzugt mit der niedrigen Dosis von Dabigatran oder Apixaban behandelt werden. Patienten mit deutlich eingeschränkter Nierenfunktion, einer Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min sollten nicht mit den neuen Antikoagulanzien behandelt werden. Ebenfalls sollten die neuen Antikoagulanzien nicht bei anderen Krankheiten eingesetzt werden wie beispielsweise bei Dissektionen, valvulärem Vorhofflimmern oder bei künstlichen Herzklappen.

Am Ende ihrer Übersicht gehen die Autoren darauf ein, das Patienten die mit den neuen Antikoagulanzien behandelt werden, nicht lysiert werden können. Das Management von schwerwiegenden Blutungskomplikationen orientiert sich am Vorgehen bei Vitamin-K-Antagonisten.

Schlussfolgerungen: Die neuen oralen Antikoagulanzien sind ein wesentlicher therapeutischer Fortschritt in der Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern. Dies gilt sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprävention.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Auf den Punkt gebracht

Diese außerordentliche lesenswerte Übersicht erfasst hochkompetent den gesamten Kenntnisstand zur antithrombotischen Therapie zur Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern mit dem Kenntnisstand Sommer 2012 zusammen. Die Lektüre dieser Übersichtsarbeit erspart dem geneigten Leser alle Originalarbeiten und die dazu publizierten Kommentare zu lesen.