Fragestellung: Ist eine Interferon-beta-Behandlung mit unterschiedlichen Vitamin-D-Spiegeln im Serum assoziiert und wirkt sich dies auf die Schubrate aus?

Hintergrund: Nach wie vor ist die Rolle von Vitamin D bei Autoimmunerkrankungen, aber auch bei degenerativen Erkrankungen wie dem Morbus Parkinson und bei vaskulären Erkrankungen wie Schlaganfällen unklar. Einzelne Studien ergaben in der Vergangenheit Hinweise darauf, dass niedrige Vitamin-D-Spiegel mit einer erhöhten Krankheitsaktivität bei Autoimmunerkrankungen assoziiert sind. Dies war insbesondere bei den kindlichen und juvenilen Formen der MS gezeigt worden. Insgesamt ist die Datenlage jedoch uneinheitlich, sodass bisher nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Substitution von Vitamin D mit einem therapeutischen Effekt bei Autoimmunerkrankungen verbunden ist.

In einer australischen Studie wurde nun überprüft, inwieweit die Gabe von Interferon-beta mit höheren Vitamin-D-Spiegeln vergesellschaftet ist und inwieweit mögliche Unterschiede wiederum mit einer Änderung der Schubrate assoziiert sind.

Patienten und Methodik: In einer prospektiven Kohortenstudie mit 178 Patienten, die an einer MS erkrankt waren, wurde im Zeitraum von 2002 bis 2005 zweimal pro Jahr der Vitamin-D-Spiegel (25-Hydroxyvitamin D, 25-OH-D) gemessen. Parallel dazu wurden relevante klinische Faktoren sowie Behandlungen erhoben und dokumentiert. Die Studie erfolgte im Süden von Tasmanien (südlich von Australien), wo die Sonneneinstrahlung im Sommer und Winter stark variiert. Der Serumspiegel-Vergleich des Vitamin-D erfolgte auch zwischen Sommer und Winter und erlaubte damit auch eine Assoziation mit der Dauer der Sonnenexposition.

Ergebnisse: Patienten unter einer Interferon-Therapie zeigten einen signifikant höheren Vitamin-D-Spiegel als Patienten ohne Interferon-Therapie. Der Serumspiegel war ferner abhängig von der Sonneneinstrahlung, sodass Patienten im Winter einen deutlich niedrigeren Vitamin-D-Spiegel aufwiesen als im Sommer. Auch hier zeigte sich, dass im Sommer der Vitamin-D-Spiegel unter der Interferon-Therapie deutlich höher war. Insgesamt schwankte der Vitamin-D-Spiegel zwischen den Jahreszeiten im mittleren Bereich zwischen 35 und 49 nmol/l (im Winter) bis zu 70 nmol/l (im Sommer). Die Schubrate war signifikant unterschiedlich zwischen den Patienten, die ein Interferon-Präparat erhielten und den Patienten, die nicht unter Therapie waren. Deutlich größer war jedoch der Unterschied, wenn der Vitamin-D-Spiegel über 50 nmol/l lag. Hier lag die Schubrate bei Patienten ohne Therapie bei 1,31; unter Interferon-Therapie jedoch bei 0,48. Bei Patienten unter Interferon-Therapie zeigten sich ebenfalls Unterschiede in Abhängigkeit des Vitamin-D-Spiegels. Bei einem Vitamin-D-Spiegel unter 50 nmol/l lag die Schubrate bei 2,01; während sie bei einem Spiegel über 50 nmol/l nur bei 0,58 lag. Alle Unterschiede waren statistisch signifikant.

Schlussfolgerungen: Die Studie zeigt zum einen höhere Vitamin-D-Spiegel unter einer Interferon-Therapie, zum anderen aber auch, unabhängig von einer Interferon-Therapie, dass Patienten mit hohen Vitamin-D-Spiegeln weniger Schübe haben, als Patienten mit niedrigeren Vitamin-D-Spiegeln. Den besten Schutz haben offensichtlich Patienten unter einer Interferon-Therapie, die hohe Vitamin-D-Spiegel aufweisen. Die Autoren folgern hier unter anderem, dass über spezifische metabolische Wege die immunmodulativen Effekte von Interferon-beta-Präparaten über eine Erhöhung des Vitamin-D-Spiegels vermittelt werden.

Kommentar von Volker Limmroth, Köln

Vitamin D bleibt auf der Agenda

Die prospektive Studie ist zweifellos interessant und gibt der Thematik zu Vitamin-D als wichtiger Komponente bei der Vermittlung autoimmunologischer Erkrankungen neue Nahrung. Zwar ist die Studie prospektiv durchgeführt worden, dennoch bleibt die Zahl der beobachteten Patienten relativ klein. Von den 178 untersuchten Patienten hatten 63% eine Interferon-Medikation erhalten, 37% nicht, sodass die Gruppen recht unterschiedlich waren. Auffällig bleiben dennoch die großen Schwankungen zwischen den Jahreszeiten, die zu einem Abfall von bis zu 50% beziehungsweise zu einem Anstieg über Sonnenexposition von über 100% führen können. Streng genommen müsste man hier erkennen können, dass die Schubrate insbesondere im Winter deutlich zunehmen müsste, während sie im Sommer dann niedriger wäre. Diese Frage beziehungsweise Auswertung bleibt die Studie allerdings schuldig. Insgesamt bleibt das Thema Vitamin D daher auf der Agenda.

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Prof. Dr. med. Volker Limmroth, Köln-Merheim Chefarzt der Klinik für Neurologie und Palliativmedizin Köln-Merheim E-Mail: LimmrothV@kliniken-koeln.de