„Es gibt eine Menge Daten, die zeigen, dass Psychoseprävention funktioniert. Jetzt ist es an der Zeit, die Erkenntnisse in die Vorsorge zu übernehmen“, forderte Professor Andreas Bechdolf, Vivantes Klinikum Berlin. Er erinnerte daran, dass nach Ergebnissen einer aktuellen Metaanalyse mit über 2.500 psychosegefährdeten Teilnehmern 32 % der Betroffenen ohne Behandlung innerhalb von drei Jahres eine manifeste klinische Erkrankung entwickeln. Solche Menschen sind meist schon vier bis fünf Jahre vor einer ersten Episode auffällig und haben kurze, selbstlimitierende psychotische Symptome, wie etwa eigentümliche Vorstellungen, Sprech- und Denkweisen oder paranoide Ideen, wobei ein Realitätsbezug noch vorhanden ist. Für ein hohes Risiko sprechen auch eine familiäre Belastung und ein Funktionsabbau, etwa sozialer Rückzug oder kognitive Defizite. Wenn solche Personen Hilfe suchen, dann häufig wegen ihrer Funktionseinschränkungen, Behinderung, Ängste und Depressionen. „Hier müssen wir sie unterstützen, damit sie überhaupt zu uns in ein Früherkennungszentrum kommen“, sagte Bechdolf. Erst im zweiten Schritt gehe es darum, die Patienten für eine Intervention zu gewinnen, um eine psychotische Episode zu verhindern. Je früher es aber gelinge, psychosegefährdete Personen zu behandeln, umso besser ist die Prognose.

Verhaltenstherapie und Medikamente — beides wirkt

In den vergangenen zehn Jahren wurde gut ein Dutzend randomisiert-kontrollierter Studien veröffentlicht, die den Nutzen einer Intervention im Prodromalstadium belegen. Meist wurden dabei eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT), atypische Neuroleptika sowie eine Kombination aus beidem gegen Placebo und ein unspezifisches klinisches Management geprüft. In fast allen Studien war die spezifische Intervention einer unspezifischen Unterstützung signifikant überlegen: Mit Psychotherapie oder Medikamenten entwickelten nur etwa 5–15 % der Teilnehmer innerhalb eines Jahres eine Psychose, in den Kontrollgruppen dagegen 20–35 %. In der Regel konnte die spezifische Intervention die Psychoserate halbieren bis vierteln. Noch ist allerdings nicht klar, welche Form der Intervention am meisten bringt. In den Studien waren sowohl KVT als auch Medikamente der unspezifischen Intervention deutlich überlegen, die Kombination der beiden Strategien brachte aber meist keinen zusätzlichen Nutzen. Bechdolf plädiert daher für den Beginn mit einer gut verträglichen psychosozialen Intervention. Erst bei Nichtansprechen oder wenn weitere Risikofaktoren wie Suizidalität hinzukommen, sollte man zu Neuroleptika greifen.

Für interessant hält der Psychiater auch Präventionsstudien mit Omega-3-Fettsäuren. In einer Studie mit 81 Patienten entwickelten nur 5 % der Hochrisikopersonen mit einer Omega-3-Therapie innerhalb eines Jahres eine Psychose, ohne waren es 25 %. Die Ergebnisse werden nun in einer neuen Studie überprüft. Als Wirkmechanismus vermuten Forscher neuroprotektive Eigenschaften der Fettsäuren.

Aufgrund des Nutzen präventiver Therapien bei Schizophrenie schlägt Bechdolf vor, ein Prodromalstadium in den ICD-10 aufzunehmen. Dann ließen sich psychosegefährdete Personen besser versorgen. Eine Aufnahme in den ICD-10 würde es auch erleichtern, Leitlinien für eine strukturierte Behandlung psychosegefährdeter Menschen zu entwickeln.

Neue Hinweise zum Nutzen der Prävention könnte die noch laufende deutsche PREVENT-Studie liefern. In der dreiarmigen multizentrischen Studie erhalten 300 Teilnehmer mit hohem Psychoserisiko entweder eine KVT, eine Therapie mit niedrig dosiertem Aripiprazol oder Placebo. Die Analyse der Basisdaten zeigt gewisse geschlechtsspezifische Unterschiede: Männer sind häufiger arbeitslos, drogen- oder alkoholabhängig als Frauen, zeigen eine stärkere Negativsymptomatik und ein schlechteres Funktionsniveau. Ein Großteil dieser Unterschiede lasse sich darauf zurückführen, dass Männer länger warten, bis sie Hilfe suchen und die Erkrankung daher bei ihnen im Schnitt schon weiter fortgeschritten ist, sagte Diplompsychologe Liz Rietschel vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf.