Fragestellung: Kommt es bei der Migräne im Langzeitverlauf zu strukturalen Veränderungen des Gehirns?

Hintergrund: Die Arbeitsgruppe aus Holland hatte vor neun Jahren erstmalig eine populationsbezogene Studie an Patienten mit Migräne mit und ohne Aura und Kontrollen mittels Kernspintomografie durchgeführt. Sie berichteten damals erstmalig über eine erhöhte Inzidenz stummer ischämischer Infarkte und periventrikulärer Läsionen im Marklager bei Patienten mit häufiger Migräne mit Aura. Jetzt wurden dieselben Patienten und Kontrollen neun Jahre später nachuntersucht.

Patienten und Methodik: 286 von ursprünglich 435 Kontrollen und Patienten nahmen an der neun Jahre später durchgeführten Bildgebungsstudie teil. Dabei handelt es sich um 83 Kontrollen, 89 Patienten mit Migräne ohne Aura und 114 mit Migräne mit Aura. Bei allen Patienten wurde eine Kernspintomografie des Gehirns durchgeführt und verblindet ausgewertet. Untersucht wurde das Vorhandensein von „white matter lesions“, und Zeichen für klinisch stumme Ischämie. Außerdem wurde die Kognition gemessen.

Ergebnisse: Die Patienten waren im Mittel 57 Jahre alt und 71% waren Frauen. Zu einem Fortschreiten von white matter lesions kam es bei 112 von 145 Frauen in der Migränegruppe und 33 von 55 Frauen in der Kontrollgruppe. Dies entspricht prozentual 77% versus 60%. Der Unterschied war mit einer Odds-Ratio von 2,1 signifikant. Es gab keine Zunahme der infratentoriellen Hyperintensitäten oder klinisch stummer Infarkte. Es bestand auch kein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Migräne und dem Fortschreiten der white matter lesions. Es ergab sich auch kein Zusammenhang zwischen dem Fortschreiten von white matter lesions und der Kognition.

Schlussfolgerungen: Bei Patienten mit Migräne kommt es im Lauf von neun Jahren zu einer leichten Zunahme von white matter lesions in der Kernspintomografie. Dies ist allerdings nicht mit der Migränefrequenz korreliert und führt nicht zu kognitiven Störungen. Im Laufe der Zeit nehmen klinisch stumme Infarkte im Posteriorstromgebiet nicht zu.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Kein Grund zur Besorgnis

Diese prospektive Studie mit einem 9-Jahres-Verlauf belegt, dass die bei Patienten mit Migräne gelegentlich beobachteten klinisch stummen Infarkte offenbar in einem Zeitraum von neun Jahren nicht häufiger werden. Mit zunehmendem Alter nehmen allerdings white matter lesions bei Patienten mit Migräne mehr zu als in der Kontrollgruppe. Dies führt aber nicht zu einer Zunahme von kognitiven Störungen. Das Studienergebnis ist für Patienten mit Migräne sehr beruhigend und sollte dann in das Gespräch mit dem Patienten einfließen, wenn Patienten durch Allgemeinradiologen bezüglich ihrer strukturalen Veränderungen in der Kernspintomografie beunruhigt sind.