Stalking ist zwar keine Krankheit, aber meist Ausdruck einer psychischen Erkrankung oder einer Persönlichkeitsstörung. Professor Harald Dreßing, Mannheim, schätzt, dass drei von vier Stalkern eine Persönlichkeitsstörung haben. Substanzmissbrauch sei nach Studiendaten bei einem Drittel zu beobachten, eine affektive Störung betreffe ein Viertel, Wahnvorstellungen etwa ein Zehntel. Auch gebe es sehr unterschiedliche Motive dafür, dass Menschen andere verfolgen, bedrohen, belästigen oder gar angreifen, sagte Dreßing.

Fünf Typen von Stalkern

So werden fünf Typen unterschieden: Der abgewiesene Stalker hatte einst eine Beziehung zur Person, der er nachstellt. Meist handelt es sich um einen Mann, der die Trennung von einer Frau nicht akzeptieren will. Der zweite Typ sucht die Intimität zu einem Menschen in einer Art Liebeswahn. Er ist überzeugt, dass die Person, zu der er nie eine reale Beziehung hatte, ihn liebt und die Liebe seines Lebens ist. Der sogenannte inkompetente Stalker weiß zwar, dass sein Opfer wenig Interesse für ihn zeigt, glaubt aber, mit seinen Nachstellungen die Zuneigung des Opfers zu gewinnen. Ihm fehlen vor allem die sozialen Fähigkeiten, eine Beziehung aufzubauen. Der „Rächer“ hingegen will tatsächlich oder vermeintlich erlittenes Unrecht vergelten, häufig wird er auch von Wahnvorstellungen getrieben. Der „Jäger“ wiederum plant gezielt einen sexuellen Übergriff auf sein Opfer.

Psychotherapie kann helfen

Die völlig unterschiedlichen Motivationen für das Stalking erfordern einen entsprechend differenzierten Umgang mit den Tätern, sagte Dreßing. Der inkompetente Stalker profitiert möglicherweise schon von einem Training seiner sozialen Fähigkeiten, beim Jäger ist mitunter eine Unterbringung in einer forensischen Anstalt nötig. Allerdings gebe es bislang kaum Studien zur Therapie bei Stalkern. Hinzu kommt, dass die meisten Stalker nur unter gerichtlichen Auflagen in eine Therapie einwilligen — wenn sie also bereits angezeigt worden sind und das Gericht eine psychiatrische Behandlung angeordnet hat. In einer Studie mit 29 Stalkern konnte eine sechs Monate dauernde Dialektisch-Behaviorale Therapie in der Nachbeobachtungsphase von zwei Jahren die Frequenz des Nachstellens signifikant reduzieren. Allerdings brachte nur etwa die Hälfte der Teilnehmer die Therapie zu Ende. Eine andere Untersuchung deutet zudem auf ein hohes Rückfallrisiko: Innerhalb von 13 Jahren suchte sich die Hälfte von über 200 Stalkern nach eine Bestrafung oder Therapie erneut ein Opfer, 80 % davon innerhalb eines Jahres. Es sei daher dringend nötig, besser therapeutische Maßnahmen gegen Stalking zu entwickeln und zu evaluieren, sagte Dreßing.

Immerhin gibt es inzwischen ein Werkzeug, mit dem Therapeuten rasch den Typus des Stalkers und seine Gefährlichkeit ermitteln können: das „Stalking Risk Profile“ (SRP). Dabei handelt es sich um eine strukturierte Risikobewertung. Ermittelt werden anhand eines Fragenkatalogs die Risiken für Gewaltanwendung, fortgesetztes Stalking oder einen Rückfall, erläuterte Dr. Jan-Michael Kersting, Mannheim. Damit können Therapeuten auch einen Fallführungsplan sowie therapeutische Ziele herleiten oder erkennen, ob polizeiliche Maßnahmen zum Schutz des Opfers nötig sind. Der SRP hilft zudem, „falsche Opfer“ zu erkennen, also Personen, die aufgrund einer psychischen Störung überzeugt sind, dass sie von bestimmten Mitmenschen belästigt werden.