Zum Fortschritt zählt auch die Ausweitung von Screeningmaßnahmen. Leider lassen sich damit nach wie vor nicht alle fortgeschrittenen Erkrankungen verhindern. Wenn die Erwartungen von Patientinnen und das Leistungsvermögen der Medizin auseinanderdriften, provoziert dies oft haftungsrechtliche Vorwürfe.

Eine Patientin erhob Klage, weil sie der Meinung war, ihr Gynäkologe habe ihr Zervixkarzinom verkannt. Die Vorsorgeabstriche müssten offenkundig falsch entnommen worden und die Untersuchungen unzureichend gewesen sein; weitere Maßnahmen (HPV-Test, Kolposkopie, Biopsie) wären früher nötig gewesen. Die Klägerin hatte im Dezember 2014 ein Kind zur Welt gebracht, ihre Vorsorge im Januar 2015 war einschließlich Abstrich unauffällig. Im Juli 2016 ergab ihr PAP-Abstrich einen II-p-Befund nach Münchner Nomenklatur II; zum Kontrollabstrich im November 2016 hieß es laut Labor: „Man sieht wenige kleine Zellverbände vom Endometrium, die stark von Blut überlagert werden und die daher nur eingeschränkt beurteilbar sind.“ Der Gynäkologe überwies die Patientin daraufhin zu einer Gebärmutterausschabung, die aber abgebrochen werden musste, da im Verlauf der Uterus perforiert wurde.

Wegen zunehmender Beschwerden entschied sich die Patientin zur Hysterektomie, die im Januar 2017 den Verdacht auf ein nach innen wachsendes Zervixkarzinom ergab. Dieser bestätigte sich letztlich und zog bei maligne befallenem kleinen Becken, Bauchnetz sowie Lymphknoten eine Chemotherapie und zahlreiche weitere Behandlungen und Operationen nach sich.

So sah das Gericht den Fall

Das Landgericht Augsburg wies die Klage ab (Urteil vom 10. November 2023, Az. 044 O 3166/21). Die hinzugezogene Sachverständige konnte ein fehlerhaftes Vorgehen nicht bestätigen. So bestand kein Hinweis darauf, dass die Untersuchung im Januar 2015 nicht korrekt gewesen wäre. Besonders waren etwa endozervikale Zellen im Abstrich, was belegte, dass er korrekt vom inneren Zervikalkanal stammte, und die diagnostische Wertigkeit erhöhte. Auch die weitere Behandlung in 2015 mit Einsetzen einer gewünschten Hormonspirale samt Kontrolle war ordnungsgemäß.

Im Juli 2016 hatte der Abstrich ebenso endozervikale Zellen enthalten und die Wertung (PAP II-p) bedeutete zunächst nur, dass Plattenepithelzellen mit geringergradigen Kernveränderungen vorlagen, eine Kontrolle in drei Monaten war somit richtig. Weitere Maßnahmen waren noch nicht nötig, zumal das Ergebnis kein Hinweis auf Krebs, sondern eine Entzündung gewesen sei. Eine Kolposkopie wäre daher noch nicht nötig gewesen, zum damaligen Zeitpunkt erst ab einem Befund III (nach Münchner Nomenklatur II). Gleichfalls erwies sich der HPV-Test ex ante als nicht nötig, zumal selbst ein positiver Befund nichts am gebotenen Vorgehen geändert hätte. Da sich die Portio, so dokumentiert, jeweils unauffällig darstellte, war ebenso eine Biopsie nicht geboten oder möglich und auch die weiteren Kontakte erwiesen sich als lege artis.

Der Beklagte hatte 2016 einen mikrobiologischen Vaginalabstrich ab- und eine Ultraschalluntersuchung vorgenommen. Zudem hatte er von der im November 2016 wieder entfernten Spirale einen Abstrich genommen, was sehr gut war, da man beim normalen Abstrich nicht so tief gekommen wäre. Auch seine Bahnung des weiteren Verlaufs mit Veranlassung der Ausschabung erwies sich als fach- und zeitgerecht.

Was bedeutet das Urteil für den klinischen Alltag?

Urteile sind immer im korrekten zeitlichen Rahmen zu verstehen, was im vorliegenden Fall wichtig ist, da sich inzwischen die Vorgaben der Früherkennung wieder geändert haben. Dennoch bleibt grundsätzlich festzuhalten, dass trotz aller „Vorsorge“, die man auch deshalb wirklich besser mit dem Begriff „Früherkennung“ erfassen sollte, immer noch schicksalhafte Verläufe eintreten können.

Nach wie vor versagt bei etwa 10 % der Zervixkarzinome die Früherkennung, wenn - wie in diesem Fall - ihre Lage und Entwicklung unter der Gewebeoberfläche liegen, was die Diagnostik erschwert oder gar unmöglich macht. Spätere intraoperative Befunde bestätigten hier diese Situation, weshalb das Karzinom in fraglicher Zeit gleich von insgesamt vier Ärzten im Rahmen all ihrer Untersuchungen und Operationen zunächst nicht richtig erkannt wurde.

Vor diesem Hintergrund gilt es, Patientinnen über Möglichkeiten aber auch Grenzen moderner Untersuchungsmethoden nicht im Unklaren zu lassen.