Immer wieder rügen Patientinnen und Patienten beim Auftreten von Infektionen angebliche Hygienemängel. Aber wer trägt bei streitigen Versäumnissen im Hygienebereich überhaupt die Beweislast?

Eine im Jahr 1948 geborene, mehrfach voroperierte Klägerin, bei der neben Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas und Wundheilungsstörungen zahlreiche weitere Nebendiagnosen bestanden, unterzog sich der operativen Entfernung einer Fettschürze und Hernienreparation. Am vierten Tag nach dem Eingriff entleerte sich aus ihrer Wunde ein übelriechendes Hämatom. Die Wundöffnung mit Spülung und Abstrich ergab den Nachweis "viel Escherichia coli, viel Morganella morganii, viel vergrünende Streptokokken". In der Revisionsoperation zwei Tage später erfolgten eine Nekroseabtragung und erneute Wundspülung; eine Vac-Therapie wurde eingeleitet. Eine weitere Revision mit Abtragung nekrotischen Gewebes und teilweisem Wundverschluss fand drei Wochen später statt. Abermals fast drei Wochen später wurde die Klägerin mit offener Wunde in die ambulante Weiterbehandlung entlassen.

So sah das Gericht den Fall

Nach Klageabweisung des Landgerichts Mönchengladbach blieb auch die Berufung beim Oberlandesgericht Düsseldorf erfolglos (Urteil vom 8. März 2018, 8 U 89/16). Haftungsrelevante Versäumnisse waren nicht festzustellen. Nach sachverständiger Beratung lag eine hinreichende Indikation für den Eingriff vor, da es wiederholt zu Entzündungen und Ekzemen unter der Fettschürze und einem nässenden Nabel gekommen war. Vor allem konnte die Klägerin nicht beweisen, dass die Infektion auf eine Nichteinhaltung gebotener Hygienestandards zurückzuführen gewesen wäre. Die grundlegenden Hygienepläne der Beklagten waren für den Sachverständigen nicht zu beanstanden und es gab keine Anhaltspunkte für eine Nichteinhaltung operativer Standards. Ebenso wenig kamen der Klägerin Beweiserleichterungen zugute: Da eine absolute Keimfreiheit selbst bei Einhaltung aller Hygienestandards niemals zu erreichen ist, sprach gerade kein Anscheinsbeweis für die Klage. Zudem ließ allein das Auftreten der Infektion nicht grundsätzlich auf eine Nichteinhaltung hygienischer Standards schließen (vgl. auch BGH, NJW 1991, 1541 ff.).

Auch auf Beweislasterleichterungen zum voll beherrschbaren Risiko konnte sich die Klägerin nicht berufen. Selbst dann ergäbe sich eine Beweislastumkehr nur und erst, sobald feststünde, dass eine Infektion überhaupt aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich stammt (BGH a.a.O.). Dafür wäre aber maßgeblich, dass sich Risiken verwirklichen, die eben nicht vorrangig aus Eigenheiten des menschlichen Organismus, sondern aus dem Krankenhausbetrieb erwachsen und daher vom Personal beherrscht werden könnten (BGH a.a.O.). Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben, da keine typischen Krankenhauskeime, sondern gängige, ubiquitäre Erreger festgestellt worden waren, mit denen der Körper meist ohnehin besiedelt ist. Es schien daher wahrscheinlich, dass die Klägerin sie bereits präoperativ getragen hatte. Zudem war ihr Infektionsrisiko durch die Vorerkrankungen erhöht, sodass es selbst bei ordnungsgemäßer Desinfektion nicht immer möglich ist, alle Keime vollständig abzutöten.

Was bedeutet das Urteil für den klinischen Alltag?

Gerade operativ Tätige sollten über die einschlägige Rechtsprechung hinter dieser Entscheidung Bescheid wissen. Nicht selten wird in Klagen vorgetragen, dass im Falle einer Infektion entweder bereits ein "Anschein" für ärztliches Fehlverhalten spreche oder die Beklagtenseite beweisen müsse, dass sie die Infektion nicht verursacht habe. Tatsächlich müssen Behandelnde aber nur in wirklich "beherrschbaren" Bereichen vortragen und im Zweifel auch beweisen, dass alle Vorgaben eingehalten wurden. Das gilt etwa bezüglich der Reinheit benutzter Desinfektionsmittel (BGH, Urteil vom 9. Mai 1978, VI ZR 81/77) oder der Sterilität verabreichter Infusionsflüssigkeiten (BGH; Urteil vom 3. November 1981, VI ZR 119/80). In all diesen Fällen besteht eine objektive Gefahr, deren Quelle klar festgestellt und die deshalb auch mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (BGH, Urteil vom 20. März 2007, VI ZR 158/06). Bei ungeklärter Infektionsquelle kommt hingegen eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach Grundsätzen "voll beherrschbarer Risiken" nicht infrage.