(Neo)adjuvante Therapiestrategien sollen das Behandlungsergebnis der Chirurgie bei einem resektablen nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) verbessern. In der Vergangenheit war das mit Chemotherapien alleine nur begrenzt effektiv.

Die adjuvante Chemotherapie nach Resektion eines Stadium-I/II-Lungenkarzinoms verbessert das Gesamtüberleben (OS) bei NSCLC ohne EGFR-Mutation über fünf Jahre absolut um 5 %, berichtete Daniel Christoph, Essen. Bei resektablen Stadium-IIIA-NSCLC ist der Erfolg der neoadjuvante Chemotherapie mit einer um 4 % verbesserten 5-Jahres-OS-Rate ähnlich. "Da ist noch viel Luft nach oben!", betonte Christoph. Ob die Chemotherapie adjuvant oder neoadjuvant erfolgt, scheint egal: Eine Metaanalyse stellte keine Unterschiede im krankheitsfreien Überleben (DFS) oder OS in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Chemotherapie fest [Lim E et al. J Thorac Oncol. 2009;4(11):1380-8]. Dazu sind viele Fragen zur neoadjuvanten Chemotherapie offen. Die Zahl der neoadjuvanten Chemotherapiezyklen wurde in Analogie zur Adjuvanz auf vier festgesetzt, ohne dass es dafür Evidenz gibt [Blumenthal GM et al. J Thorac Oncol. 2018;13(12):1818-31]. Ebenso wenig gibt es Evidenz für den Ersatz von Cisplatin durch Carboplatin, wie er in der Praxis häufig durchgeführt wird.

Neue Perspektiven durch neoadjuvante Immuntherapie

In der CheckMate-816-Studie wurde ein Fortschritt mit der neoadjuvanten Therapie mit drei Zyklen Nivolumab zusätzlich zur Chemotherapie erzielt [Forde PM et al. N Engl J Med. 2022; 386(21):1973-85]. Gegenüber der neoadjuvante Chemotherapie alleine wurde nicht nur die Rate des pathologischen Komplettansprechens von NSCLC im Stadium IB bis IIIA deutlich verbessert (24,0 vs. 2,2 %; Odds Ratio 13,94; p < 0,001), auch das Überleben verlängerte sich signifikant. Das mediane ereignisfreie Überleben (EFS) lag mit Nivolumab bei 31,6 Monaten, ohne bei 20,8 Monaten. Der Median des OS war in beiden Gruppen noch nicht erreicht, die Hazard Ration (HR) zeigte aber bereits einen Vorteil für Nivolumab zusätzlich zur Chemotherapie (HR 0,57; 99,67 %-Konfidenzintervall [99,67 %-KI] 0,30-1,07; p = 0,008). Besonders zu profitieren schienen Patientinnen und Patienten mit einer anderen als einer Plattenepithelhistologie und einer hohen Expression des Biomarkers PD-L1. Außerdem schien eine Chemotherapie mit Carboplatin günstiger zu sein als mit Cisplatin. Nivolumab ist derzeit noch nicht für die neoadjuvante Therapie des resektablen Lungenkarzinoms in Kombination mit Chemotherapie zugelassen, ergänzte Christoph.

Adjuvante Immuntherapie - in Sequenz oder alleine

Seit Juli 2022 kann Atezolizumab adjuvant bei PD-L1-positivem NSCLC im Stadium IB-IIIA nach einer platinbasierten adjuvanten Chemotherapie eingesetzt werden. In der Studie IMpower010 führte diese zusätzliche adjuvante Immuntherapie zu einem um 34 % verringerten Risiko für ein erneutes Auftreten der Erkrankung oder Tod im Vergleich zu einer bestmöglichen unterstützenden Behandlung nach Abschluss der adjuvanten Chemotherapie [Felip E et al. Lancet. 2021; 398(10308):1344-57]. Der Effekt war bei PD-L1-positiven Tumoren ausgeprägter als bei PD-L1-negativen Tumoren. Christoph betonte, dass nach der Subgruppenanalyse vor allem die Gruppe mit hoher PD-L1-Expression (TPS ["tumor proportion score"] ≥ 50 %) im Stadium II-IIIA und ohne EGFR-Mutation oder ALK-Translokation von dieser erweiterten Adjuvanz profitiert.

In der PEARLS/KEYNOTE-091-Studie wurde Pembrolizumab bei Patientinnen und Patienten mit NSCLC im Stadium IB-IIIa adjuvant eingesetzt, ohne dass eine adjuvante Chemotherapie obligat vorangehen musste [O'Brian M et al. Lancet Oncol. 2022; 23(10):1274-86]. Mit Pembrolizumab verlängerte sich das DFS im Vergleich zu Placebo signifikant (53,6 vs. 42,0 Monate; HR 0,76; 95 %- KI 0,63-0,91, p = 0,0014). Allerdings ließ sich kein Vorteil für die Subgruppe mit hoher PD-L1-Expression zeigen. Das OS ist bislang noch nicht unterschiedlich. Pembrolizumab ist aktuell im Europa nicht für die adjuvante Therapie des frühen NSCLC zugelassen, betonte Christoph.

Die neoadjuvante Chemo-/Immuntherapie könnte eine Standardtherapie werden, resümierte Christoph, warnte aber davor, die Chemotherapie zu vernachlässigen, weil Betroffene häufig die Immuntherapie einer Chemotherapie vorziehen. Zudem müsse besser geklärt werden, wer wirklich von der neoadjuvanten oder adjuvanten Immuntherapie profitiere.

Bericht vom 35. Deutschen Krebskongress (DKK), der vom 13. bis 16. November 2022 in Berlin stattfand