Genexpressionssignaturen sollen die adjuvante Therapieentscheidung beim Hormonrezeptor-positiven und HER2-negativen (HR+/HER2-) frühen Mammakarzinom mit bis zu drei befallenen Lymphknoten optimieren und an die individuelle Situation anpassen. Ziel ist es, die Chemotherapie (CTX) auf Patientinnen zu beschränken, die tatsächlich davon profitieren, wie auf dem EBCC 2022 deutlich wurde. Im Fokus stehen die prämenopausalen Patientinnen.

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Barcelona, Spanien, war Austragungsort der 13. European Breast Cancer Conference (EBCC), die vom 16. bis zum 18. November 2022 stattfand. Im Bild zu sehen ist ein Wahrzeichen Barcelonas: Die von Antoni Gaudí entworfene Kathedrale La Sagrada Familia.

Es gehe um die Patientinnen mit HR+/HER2- frühem Mammakarzinom ohne Lymphknotenbefall (N0) bzw. mit maximal drei befallenen Lymphknoten (LK 1-3) und den Stellenwert von Genexpressionssignaturen im Kontext der klassischen klinischen Risikofaktoren, erläuterte Fatima Cardoso von der Breast Unit am Champalimaud Clinical Center in Lissabon, Portugal. Bei den drei randomisierten Phase-III-Studien zum Recurrence Score (RS; OncotypeDX®; validiert in TAILORx und RxPonder) bzw. dem 70-Gen-Test MammaPrint® (MP; validiert in MINDACT) handele es sich jeweils um Deeskalationsstudien, die der Frage nachgehen, wann auf eine zusätzliche adjuvante CTX verzichtet werden kann, weil besagte Patientinnen mit einer endokrinen Therapie (ET) ausreichend gut behandelt sind.

Genexpressionssignaturen im klinischen Kontext sehen

Wichtig sei, dass RS und MP keine prädiktiven Biomarker seien, sondern prognostische Hinweise geben. Beide genomischen Tests müssten in Kombination mit den klassischen klinischen und pathologischen Faktoren interpretiert werden. Die adjuvante Therapieentscheidung dürfe nicht allein auf Grundlage eines genomischen Testergebnisses getroffen werden.

Einfluss des Menopausenstatus

Grundsätzlich bestehe bei Patientinnen mit HR+/HER2-negativem frühem Mammakarzinom und niedrigem klinischem Risiko - unabhängig vom Menopausenstatus - keine CTX-Indikation und damit auch keine Notwendigkeit für eine genomische Testung, so Cardoso. Relativ klar sei die Datenlage auch bei hohem klinischem Risiko für die postmenopausalen Patientinnen (N0 bzw. LK 1-3). Sie haben bei niedrigem bzw. intermediärem genomischem Risiko (MP: "low"; RS: 0 -25) keinen Vorteil von der zusätzlichen adjuvanten CTX, betonte Cardoso. Bei den prämenopausalen Patientinnen (N0 bzw. LK 1-3) mit erhöhtem/hohem klinischem Risiko, aber niedrigem bzw. intermediärem genomischem Risiko (MP: "low"; RS: 0-25) habe die adjuvante CTX in den klinischen Studien reduziert.

Bedeutung im klinischen Alltag?

Bei Patientinnen mit hohem klinischem Risiko lasse sich mit der genomischen Testung die Therapieentscheidung individualisieren, betonte Cardoso: So bestehe bei hohem klinischen und genomischem Risiko unabhängig vom Menopausenstatus eine CTX-Indikation. Ist trotz hohem klinischem Risiko das genomische Risiko niedrig, müsse zwischen post- und prämenopausalen Patientinnen unterschieden werden. In der postmenopausalen Situation könne auf eine zusätzliche CTX verzichtet werden. In der prämenopausalen Situation sollte mit der Patientin besprochen werden, die ET zu erweitern - entweder um eine CTX oder eine ovarielle Funktionssuppression (OFS), empfahl Cardoso. Dies gelte auch für prämenopausale Patientinnen mit intermediärem RS (RS: 11-25). Auch hier sei die zusätzliche CTX- bzw. OFS-Indikation in Abhängigkeit vom klinischen Risiko bzw. dem LK-Befall eine Option.

OFS oder Chemotherapie?

Ein Problem sei, dass die prämenopausalen Patientinnen in den besagten Studien im Rahmen der ET mehrheitlich keine OFS erhalten hatten. Dies entspreche nicht mehr dem heutigen Standard, so Cardoso. Vermutlich, so die Expertin weiter, basiere der CTX-Effekt bei den prämenopausalen Patientinnen mit niedrigem MP bzw. intermediärem RS darauf, dass die CTX die Ovarfunktion unterdrücke, weshalb die zusätzliche OFS eine Alternative zur CTX sei.

Eine zusätzliche Option sieht Cardoso in der kurzen präoperativen ET, die in der deutschen ADAPT-Studie validiert wurde, um die endokrine Sensitivität des Tumors bei besagten Patientinnen vorab zu definieren. Sie empfahl, das ADAPT-Konzept in Kombination mit den Genexpressionssignaturen in den klinischen Alltag zu integrieren und beim HR+/HER2-negativen Mammakarzinom (N0/N1) unabhängig vom Menopausenstatus umzusetzen.

Bericht von der 13. European Breast Cancer Conference (EBBC), die vom 16. bis 18. November 2022 in Barcelona, Spanien, stattfand.