Bei der Patientenaufklärung sind viele Punkte zu beachten. Sie muss z. B. so früh erfolgen, dass die Betroffenen genügend Zeit haben, zu einer wohlüberlegten Entscheidung zu kommen.

Ein Patient kam mit chronisch rezidivierenden Ohrenentzündungen und Paukenergüssen in die Ambulanz einer HNO-Klinik, um die Indikation für eine Mastoidektomie zu klären. Man riet ihm zunächst zu einer Optimierung der Nasenluftpassage mittels Nasen-Septum-Plastik und zur Mastoidektomie sechs bis acht Wochen später. Am 1. November unterzeichnete er direkt im Anschluss an das Aufklärungsgespräch die Einwilligung, am 4. November folgten eine Nasenscheidewandbegradigungs- und Nasennebenhöhlenoperation. Dabei trat leider eine stärkere arterielle Blutung auf. Die Computertomografie zeigte eine Hirnblutung, die neurochirurgische Intervention offenbarte, dass die Dura sowie die vordere Hirnschlagader verletzt worden waren und der Riechnerv links durchtrennt. Der Patient wurde auf die Intensivstation verlegt und weiter neurochirurgisch behandelt. Er entwickelte eine systemische Entzündungsreaktion. Am 8. November wurde er erneut operiert. Die zwei folgenden Jahre waren weitere ambulante und stationäre Behandlungen nötig. Der Kläger rügte nun vor allem Aufklärungsdefizite.

So sah das Gericht den Fall

Das Oberlandesgericht (OLG) Bremen hob die Klageabweisung des Landgerichts auf und gab der Klage dem Grunde nach statt (Urt. v. 25.11.2021, Az. 5 U 63/20), da der Eingriff infolge unwirksamer Einwilligung rechtswidrig gewesen sei. Die Rüge einer unzureichenden Aufklärung griff inhaltlich nicht, weil die aufklärende Ärztin alle im Aufklärungsformular aufgelisteten Punkte mit dem Kläger besprochen hatte.

Ein Dauerschaden war dort zwar nicht ausdrücklich genannt, aber unter anderem eine mögliche Riechstörung, Hirn(haut-)verletzung/entzündung und Hirnwasserfluss. Auch wenn dies nach Ansicht des Gutachters recht kurz war und in seinem Bogen noch explizit etwas über Dauerschaden und Hirnfunktionsstörungen stehe, bestätigte er eine inhaltlich noch zureichende Aufklärung. Schon dem LG schien zudem allgemein bekannt, dass Komplikationen in Bezug auf das Gehirn einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen und/oder mit dauerhaften Schäden verbunden sein könnten. Dem folgte das OLG und hielt die Rüge unzureichender Aufklärung über Behandlungsalternativen ebenso nicht für begründet.

Eine Behandlung mit Nasenspray war zwar eine denkbare Alternative, aber nicht medizinisch gleichwertig. Die grundlegenden Optionen - erst Sanierung der Nebenhöhlen und folgende Mastoidektomie versus unmittelbare Mastoidektomie - wurden richtig dargestellt. Nach Ansicht des Senats fehlte die Wirksamkeit der Einwilligung aber trotzdem, da der Kläger nach dem Aufklärungsgespräch keine ausreichende Bedenkzeit mehr gehabt habe, sondern aus organisatorischen Gründen sogleich den Bogen unterzeichnen "musste". Eine "wohlüberlegte Entscheidung" könne aber nur treffen, wer ausreichend Zeit zum Überlegen habe (ebenso OLG Köln, Urt. v. 16.1.2019, Az. I-5 U 29/17).

Was bedeutet das Urteil für den klinischen Alltag?

Dass Patienten ausreichend Zeit für wohlüberlegte Entscheidungen haben müssen, ist unumstritten. Dennoch erscheint das noch nicht rechtskräftige Urteil bei differenzierter Betrachtung fraglich. Auf jeden Fall legt es den Finger in eine forensisch potenziell sehr empfindliche Wunde. Ist es doch häufig (vor allem in Krankenhäusern), dass Patienten unmittelbar nach Aufklärungsgesprächen entsprechende Bögen unterzeichnen (sollen). Kann nun zwangsläufig ihre Entscheidung nicht wohlüberlegt sein oder bezieht sich diese Betrachtung nicht eher auf die Zeit zwischen Aufklärungszeitpunkt und Eingriff? Wie ist §630e Abs. 2 Nr. 2 BGB hierzu genau zu verstehen? Willigt ein Patient nicht zumindest konkludent später (nochmals) ein, wenn er sich zur Behandlung vorstellt? Und steht dem Ganzen nicht eine hypothetische Einwilligung entgegen, die das OLG zwar prüfte, im Fall und im Ergebnis aber verneinte. Spannende Fragen, mit denen sich der Bundesgerichtshof (VI ZR 375/21) nochmals befassen dürfte, bei dem die Revision schon anhängig ist.