Das European LeukemiaNet (ELN) ist ein von der Europäischen Union gefördertes Exzellenznetzwerk, das die führenden Leukämiestudiengruppen Europas und ihre interdisziplinären Partner integriert. Im ELN arbeiten zurzeit etwa 1.000 Mediziner*innen und Wissenschaftler*innen aus 44 Ländern und 220 Zentren mit dem Ziel zusammen, Leukämien heilbar zu machen.

figure 1

© eyetronic / Fotolia

Mitglieder des European LeukemiaNet trafen sich in Mannheim, um sich über aktuelle Themen auszutauschen.

Dietger Niederwieser, Leipzig, stellte die finale Analyse einer prospektiven, randomisierten Studie der deutschen AML Intergroup zu Therapiestrategien bei Patient*innen ≥ 60 Jahre mit akuter Myeloischer Leukämie (AML) vor. Nachdem Projekte der AML Intergroup in früheren Jahren auf Patient*innen unter 60 Jahren beschränkt waren, wurde später ein weiteres Netzwerk für Projekte mit Patient*innen ab 60 Jahren ohne Altersbegrenzung initiiert.

Ein wichtiger Grund für diese Ausweitung war, dass die Behandlung älterer, weniger fitter Patient*innen mit AML unverändert herausfordernd ist. Komorbiditäten, ein schlechter Performancestatus und eine ungünstige Zytogenetik führen dazu, dass die Heilungschancen bei den Betroffenen gering sind und die Kontrolle der Krankheitsprogression und die Verbesserung der Lebensqualität als Behandlungsziele in den Vordergrund der therapeutischen Bemühungen rücken. Welche Therapiestrategie in diesen Fällen das günstigste Verhältnis zwischen Wirksamkeit und Toxizität aufweist, wurde in der AML-Intergroup-Studie, deren Ergebnisse Niederwieser zufolge in Kürze zur Publikation eingereicht werden, untersucht.

Verschiedene Behandlungsstrategien

In der Studie wurden bei 1.286 Patient*innen ≥ 60 Jahre mit neu diagnostizierter AML drei Behandlungsregime miteinander verglichen:

  • eine Standardtherapie (Induktion mit Cytarabin [AraC] und Daunorubicin, Konsolidierung mit AraC)

  • Studienarm A (Induktion entweder mit AraC, Daunorubicin und Thioguanin [TAD] plus AraC, Mitoxantron [HAM] und Granulozyten-koloniestimulierendem Faktor [G-CSF] oder mit HAM - HAM und G-CSF, Konsolidierung in beiden Armen mit TAD.

  • Studienarm B (Induktion und Konsolidierung mit AraC und Mitoxantron, sowie Pegfilgrastim).

Die Randomisierung fand im Verhältnis 9:1 statt, mit jeweils 10 % der Patient*innen im Standardarm.

Kein neuer Goldstandard

"Die finale Analyse der Studie hat gezeigt, dass es keine klinisch relevanten Unterschiede in den Therapiearmen gibt. Weder das ereignisfreie Überleben (EFS; primärer Endpunkt), noch die Komplettremissionsrate an Tag 90 (sekundärer Endpunkt), das rezidivfreie Überleben (RFS) oder das Gesamtüberleben (OS) unterschieden sich signifikant", kommentierte Niederwieser. Ebenfalls nicht signifikant verschieden waren die Raten für die Nichtrezidivmortalität, die Rezidive an Tag 90 oder die Todesfälle an Tag 90.

Als unabhängige Variablen für das EFS und OS erwiesen sich in einer multivariaten Analyse Alter, Art der Erkrankung, zytogenetische Risikogruppe und Leukozytenzahl - nicht jedoch die Zuordnung zu einem der Behandlungsarme. Alter und zytogenetische Risikogruppe waren Determinanten für das RFS. Damit konnte für ältere Patient*innen mit neu diagnostizierter AML kein neuer Therapiegoldstandard gefunden werden - neue Konzepte sind damit für diese Gruppe von Patient*innen weiterhin erforderlich.

HSZT: Auch ältere Patient*innen profitieren

Die Möglichkeit der allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (alloHSZT) hat insbesondere für jünger Patient*innen mit AML zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose geführt. Seit der Einführung dosisreduzierter Konditionierungsschemata (RIC) kann die potenziell kurative Option einer Geschwister- oder Fremdspender*innen-Transplantation auch älteren Patient*innen jenseits des 60. Lebensjahrs angeboten werden. Niederwieser stellte in diesem Zusammenhang die finale Analyse der randomisierten Phase-III-Studie "HCT vs. CT in elderly AML" vor, in der als Konsolidierungstherapie entweder eine konventionelle Chemotherapie oder eine HSZT (allogen verwandte oder unverwandte Spender*innen) nach RIC bei älteren Patient*innen mit AML in der ersten Komplettremission erfolgte.

Bei einer erwartbar höheren therapiebezogenen Mortalität im HSZT-Arm nach 24 Monaten (26 vs. 0,0 % im Chemotherapiearm), spiegelten die Rate für das leukämiefreie Überleben nach 60 Monaten (primärer Endpunkt; 31,4 vs. 9,9 %) und die Rezidivrate nach 60 Monaten (37,8 vs. 91,1 %) einen deutlichen Vorteil der HSZT auch für ältere Patient*innen mit AML wider.

Bericht vom 18th Symposium of the European LeukemiaNet /21st Symposium of the Kompetenznetz Leukämien in Mannheim am 15. März 2022.