Eine neue Formulierung von Cytarabin könnte es erlauben, auch ältere und komorbide AML-Patienten mit dem Chemotherapeutikum zu behandeln.

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© ASCO/Scott Morgan 2019

Inzwischen schon fast ein ungewohntes Bild: 2019 fand der letzte ASCO vor Ort in Chicago statt. Das zweite Jahr infolge wurde der ASCO auch dieses Mal rein virtuell ausgerichtet.

Im Herbst 1945 stieß der deutschstämmige US-Chemiker Werner Bergmann im flachen Wasser vor der Küste Floridas auf verschiedene noch zuvor unbekannte Schwammarten [Bergmann W, Feeney RJ. J Org Chem. 1951;16(6):981-7]. Einer dieser Schwämme, später klassifiziert als Tectitethya crypta, würde der Welt mit Bergmanns Hilfe die natürliche Vorlage für ein essenzielles, noch heute gebräuchliches Chemotherapeutikum schenken: Cytarabin (araC). araC ist ein künstlich hergestelltes Nukleosidanalogon, das als "falscher" DNA-Baustein die DNA-Synthese und -Reparatur stört und so eine zytostatische Wirkung entfaltet [Jimenez PC et al. Br J Pharmacol. 2020;177(1): 3-2].

Eingesetzt wird ara-C bei hämatologischen Neoplasien wie der akuten myeloischen Leukämie (AML). Ein Nachteil ist dabei die ausgeprägte Toxizität von araC, wie Jessica K. Altmann, Chicago, IL/USA, ausführte. Insbesondere bei älteren AML-Patienten oder solchen mit Komorbiditäten könne die Anwendbarkeit von araC deswegen signifikant eingeschränkt sein. Bei genau solchen Patienten prüfen sie und ihr Team derzeit im Rahmen einer einarmigen Phase-II-Studie die Sicherheit und Wirksamkeit einer neuartigen araC-Formulierung namens Aspacytarabin - von der sich eine geringere Toxizität bei vergleichbarer Wirksamkeit versprechen [Altmann JK et al. ASCO. 2021;Abstr 7007]. Tatsächlich haben die AML-Studienpatienten gemäß aktueller Analyse (n = 46) Aspacytarabin (in der Dosis 4,5 g/m² Körperoberfläche [KOF]/d; äquimolar zu 3 g/m² KOF/d araC) nach Einschätzung von Altmann insgesamt gut vertragen. Zu therapiebezogenen schweren Nebenwirkungen ("related serious adverse events") zählten Sepsis (8,5 %), febrile Neutropenie (6,4 %), Pneumonie (6,4 %) und Thrombozytopenie (6,4 %). Es seien keine zerebelläre Toxizität oder Mukositis aufgetreten.

Für Aspacytarabin wird araC mit der Aminosäure Asparagin konjugiert, was die Substanz zu einem araC-Prodrug macht. Aspacytarabin selber sei nicht toxisch und setze araC graduell über einen Zeitraum von über acht Stunden frei, so Altmann. Das erlaube eine kürzere Infusionsdauer (1h) als bei "konventionellem" Hochdosis-araC (3h). Die veränderte Pharmakodynamik führe dann dazu, dass es zu einer geringeren systemischen Exposition gegenüber toxischen araC-Spitzenspiegeln käme.

Bericht vom diesjährigen Annual Meeting der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vom 4. bis 8. Juni 2021