Die monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) ist wohl am bekanntesten - doch auch andere hämatologische Veränderungen können im Laufe der Zeit in eine manifeste Neoplasie übergehen.

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Auch der DGIM fand in diesem Jahr digital statt. Spannende Vorträge gab es natürlich trotzdem.

Auch wenn sie per se keinen Krankheitswert haben, besteht bei der monoklonalen B-Lymphozytose (MBL) und der klonalen Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial ("clonal hematopoiesis of indeterminate potential", CHIP) langfristig ein Risiko von etwa 1 % pro Jahr, dass sich daraus maligne Bluterkrankungen entwickeln - ähnlich wie bei MGUS. Ein Screening auf diese Veränderungen wird nicht empfohlen. Bei Zufallsbefunden sind Verlaufskontrollen ratsam. CHIP-Patienten haben offenbar eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität.

"Wir haben gelernt, dass Monoklonalität nicht unbedingt Malignität bedeutet", sagte Karl-Anton Kreuzer, Köln. Ähnlich wie bei psychischen Störungen gebe es auch hier ein Krankheits-Gesundheits-Kontinuum. Altersabhängig hätten etwa 5 % der ca. 70-Jährigen eine MBL. Das sind geringe Mengen von B-Zellen im Blut mit immunphänotypischen Charakteristika wie bei einer chronisch lymphatischen Leukämie (CLL). Ohne weitere Symptome. "Eine persistierende Lymphozytose über 3.000/µl oder über 50 % sollte auf jeden Fall hämatologisch abgeklärt werden. Im günstigsten Fall kommt dabei heraus, dass es sich um reaktive Veränderungen handelt. Oder aber um eine MBL, die aber nur eine fakultative Prä-Neoplasie für eine CLL ist", so der Kreuzer. B-Zell-Quantifizierung und Immunphänotyp helfen, das Progressionsrisiko abzuschätzen. Verlaufskontrollen werden alle 6-12 Monate empfohlen. "Eine CLL-typische Diagnostik mit Zyto- und Molekulargenetik ist erst bei manifester CLL sinnvoll." Die ist recht einfach zu diagnostizieren: "Erstens brauchen wir keinen Lymphknoten zu exstirpieren, wir brauchen auch keine Knochenmarkpunktion." Es genügt eine Lymphozytose im peripheren Blut über 5.000/µl mit typischem Immunphänotyp und unter 55 % Prolymphozyten.

Während bei der MBL das Differenzialblutbild erste Hinweise liefert, lässt sich eine CHIP als früheste Stufe von Blutbildveränderungen nur molekulargenetisch aufdecken. Erst 2015 als eigenständiges Phänomen definiert, konnte eine CHIP sogar schon in Stammzellen aus Nabelschnurblut nachgewiesen werden, so Felicitas Thol, Hannover: "Wahrscheinlich gehört klonale Hämatopoese zu unserem Leben hinzu." Täglich werden 1010-1012 neue Blutzellen gebildet. Mutationen sind da unvermeidbar. Typisch für CHIP sind Mutationen, die man von der akuten myeloischen Leukämie (AML) oder myelodysplastischen Syndromen (MDS) kennt, häufig in den Genen DNMT3A und TET2. Entsprechend wichtig die Abgrenzung zu MDS: "Wir müssen gucken, ob wir im Blutbild Veränderungen haben." Bei CHIP finden sich weder Dysplasien noch Zytopenien und im Knochenmark weniger als 5 % Blasten.

Wie MGUS und MBL kommt es mit zunehmendem Alter häufiger vor; bis zu 16 % der über 80-Jährigen weisen solche Symptome auf. Das Progressionsrisiko zu MDS und AML liegt bei 0,5-1 % pro Jahr. Die im Vergleich zu Menschen mit normaler Hämatopoese um 40 % höhere Mortalitätsrate über den Zeitraum von 80 Monaten ist dadurch nicht erklärt.

Eine CHIP wurde auch bei Rauchern, nach Strahlentherapie und bei soliden Tumoren gesehen. "Die wirklich spannende Beobachtung" ist für Thol aber eine starke, unabhängige Assoziation mit erhöhter kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität. Menschen mit CHIP bekommen häufiger eine koronare Herzerkrankung und ischämische Schlaganfälle. Im Mausmodell konnte eine beschleunigte Atherosklerose nachgewiesen werden, offenbar als Folge einer Überexpression proinflammatorischer Zytokine. Thol: "Bei TET2 ist es vor allen Dingen Interleukin-1-ß." Zu dieser Hypothese passt, dass es in der CANTOS-Studie bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko unter IL-1ß-Blockade seltener zu kardiovaskulären Ereignissen kam.

Bei normalem Blutbild speziell auf CHIP zu testen, mache allerdings keinen Sinn, so die Hämatologin. CHIP lasse sich nicht vermeiden, "aber wir können sicherlich das Risiko etwas beeinflussen, indem wir vor allen Dingen nicht rauchen oder auch andere Umwelteinflüsse versuchen zu reduzieren". Wird sie zufällig festgestellt, empfiehlt sie, das Differenzialblutbild einmal nach drei und dann alle zwölf Monate zu kontrollieren: "Wenn keine Zytopenie vorliegt, ist auch kein Hinweis da, dass man eine Knochenmarkpunktion machen müsste."

Bericht vom 127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, der vom 17. - 20. April 2021 virtuell stattfand