Neben der Information des Patienten über Risiken eines operativen Eingriffs zählt zur rechtswirksamen Aufklärung ebenso, mögliche Alternativen fachgerecht darzulegen.

Nachdem sich bei einem 71-Jährigen mittels Stanzbiopsie ein Adenokarzinom der Prostata erwies, wurde er mit Empfehlung zur radikalen Prostatavesikulektomie (Entfernung der Prostata und Samenbläschen) stationär eingewiesen. Postoperativ trat eine anhaltende Harninkontinenz 3. Grades auf, weshalb Klage wegen unzureichender Aufklärung erhoben wurde. Dem Kläger sei nur dargelegt worden, dass es in erster Zeit zu einem Harnverlust beim Husten, Niesen oder Heben von Lasten kommen könne. Andere, gar dauerhafte Risiken seien ebenso wenig genannt worden wie sonstige Therapien. Der Krankenhausträger trat den Vorwürfen unter Verweis auf den verwendeten Aufklärungsbogen und aufklärenden Arzt entgegen. Bleibende Inkontinenz als Risiko sei erörtert worden, ebenso Alternativen. Eine Strahlentherapie mit wohl geringeren Erfolgsaussichten sei für den Kläger aber eigentlich keine Alternative gewesen.

So sah das Gericht den Fall

Das Landesgericht Berlin (Urt. v. 3.5.2013, 36 O 158/11) hielt die Klage für teils begründet wegen letztlich doch unzureichender Aufklärung über durchaus in Betracht stehende Alternativen in Form lokaler Strahlentherapie beziehungsweise hoch intensiven fokussierten Ultraschalls. Der Sachverständige verwies nämlich darauf, dass die prätherapeutische Risiko-Nutzen-Abwägung schwierig gewesen sei, da die statistischen Zahlen zu Komplikationen sehr schwanken und der subjektive Faktor eine große Rolle spiele. Mit der lokalen Strahlentherapie hätte trotz allem ein denkbar weiteres Standardverfahren existiert, vor allem mit unterschiedlich drohenden Folgen, da hier die OP-Risiken vermieden worden wären. Zwar könne auch dort Inkontinenz auftreten, aber in anderer Form. Bei der operativen Behandlung träten im Übrigen in 0-15 % der Fälle schwere Inkontinenzen auf und in 4-50 % der Fälle Inkontinenzen an sich, bei der Strahlentherapie dagegen in bis zu 20 % der Fälle Harninkontinenz.

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© Alexander Raths / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodellen)

Zur rechtswirksamen Aufklärung gehört unter anderem auch die fachgerechte Darlegung von Behandlungsalternativen.

Mit dem hoch intensiven fokussierten Ultraschall habe ferner schon ein Verfahren existiert, das klinisch etabliert und indiziert war. Zwar handelte es sich um ein onkologisch unsichereres Therapiekonzept, aber um eines, das andere Risiken als die OP gehabt hätte. Zu dieser differenzierteren Betrachtung konnte keine adäquate Aufklärung bewiesen werden. Denn der aufklärende Arzt konnte sich verständlicherweise nicht mehr an Details erinnern und im unterzeichneten Bogen stand ohnehin nur: "Die konservative Behandlung kann durch Strahlenbehandlung erfolgen, wobei die Aussichten auf langfristige Heilung nicht sehr hoch sind." Allein dies war aber rechtlich nicht genug, um zu einer informiert eigenständigen Entscheidung für oder gegen eine der Alternativen zu kommen; es wurde hiermit nicht ausreichend das unterschiedliche Risikenspektrum deutlich. Bezüglich des hoch intensiven fokussierten Ultraschalls war gar kein Hinweis enthalten und auch der Arzt äußerte nicht, dies besprochen zu haben. Da auch nicht nachweisbar war, dass sich der Kläger in jedem Fall der tatsächlich erfolgten Behandlung unterzogen hätte, wurde unter anderem ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro ausgeurteilt - zumal aufgrund seines Alters nicht unplausibel schien, dass sich der Patient vielleicht doch für eine Methode mit zwar geringerer Erfolgsaussicht, dafür aber auch geringerer Wahrscheinlichkeit gravierenderer Komplikationen entschieden hätte.

Was bedeutet das Urteil für den klinischen Alltag?

Die Wahl einer Behandlungsmethode ist zwar stets primär Sache des Arztes - sobald aber mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden existieren, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben, muss dem Patienten nach insoweit vollständiger Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welche Behandlung und welche Risiken er sich einlassen will. Diese Voraussetzungen waren nach den das Gericht offensichtlich überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen im konkreten Fall nicht erfüllt.