Viele Krebspatienten haben ein erhöhtes Risiko an COVID-19 zu erkranken. Erste Daten dazu konnten bereits in Wuhan, China, gesammelt werden. Für Patienten mit Lungentumoren wurde auf Initiative italienischer Forscher bereits Mitte März das TERAVOLT-Register auf den Weg gebracht. Das Ziel: in kürzester Zeit viele Daten zu sammeln.

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Marina Chiara Garassino © LucasDeLozier / Getty Images / iStock

Stattfinden sollte die Jahrestagung der American Assocciation for Cancer Research in diesem Jahr in San Diego, CA/USA (im Bild). Bedingt durch die COVID-19-Pandemie fand sie virtuell in zwei Teilen statt - Ende April und Mitte Juni.

Zwar wächst die Erkenntnislage zum Thema COVID-19 und Krebs in den letzten Wochen. Dennoch bleibt die Datenlage bisher insgesamt dünn. Wie Marina C. Garassino von der Fondazione IRCCS Istituto Nazionale Tumori in Mailand, Italien, auf dem AACR Virtual I erläuterte, bedarf es einer großen solidarischen Kraftanstrengung der onkologischen Forschergemeinschaft, um in möglichst kurzer Zeit so viele Daten zu gewinnen, damit die besonders vulnerable Gruppe der Krebspatienten bestmöglich versorgt werden kann. Gemeinsam mit Leora Horn von der Vanderbilt University in Nashville, TN/USA, und Solange Peters vom Universitätshospital (CHUV) in Lausanne, Schweiz, hatte sie bereits Mitte März das globale TERAVOLT(Thoracic cancers international covid 19 collaboration)-Register für Patienten mit thorakalen Tumoren initiiert, die an COVID-19 erkrankt sind; mittlerweile beteiligen sich bereits über 20 Länder daran. Garassino präsentierte Erkenntnisse aus der Analyse der ersten 200 in das Register eingeschlossenen Patienten. Aufgenommen wurden Patienten mit thorakalen Tumoren jeglicher Art, deren COVID-19-Diagnose durch einen RT-PCR("reverse transcription polymerase chain reaction")-Test nachgewiesen wurde oder Patienten, die nach Kontakt mit COVID-19-Betroffenen eindeutige Symptome zeigten.

Die Patienten waren median 68 Jahre alt, die Mehrzahl war männlich und ehemalig oder aktuell Raucher. 75,5 % der Betroffenen litten an einem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), 14,5 % an einem kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC). Bei 73,5 % war die Erkrankung bereits fortgeschritten (Stadium IV). Die Mehrzahl der Patienten (83,8 %) wies zumindest eine Komorbidität auf. Am häufigsten war dies Bluthochdruck (47 %). Unter einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) litten 25,8 %. Die meisten Betroffenen standen unter aktiver Therapie (73,9 %): 32,7 % unter einer Chemotherapie, 23,1 % unter Immuntherapie, 19 % unter der Behandlung mit einem Tyrosinkinaseinhibitor (TKI). 13,6 % der Patienten erhielt eine Kombination aus Chemo- und Immuntherapie. Wie Garassino erläuterte, sei es gerade bei thorakalen Tumoren sehr herausfordernd, die Symptome einer SARS-CoV-2-Infektion einzuschätzen, da die Patienten bedingt durch ihre Krebserkrankung oft schon unter Husten und Dyspnoe aber auch Fieber litten.

76 % der von COVID-19 betroffenen Tumorpatienten mussten stationär aufgenommen werden, 34,6 % starben infolge der Erkrankung. Jedoch wurden die meisten nicht auf einer Intensivstation behandelt. Die Gründe dafür, so Garassino, seien allerdings unklar. Da die Daten aus verschiedenen Ländern kommen und sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen zu Beginn der Pandemie herrschten, könnten auch mangelnde Kapazitäten eine Rolle spielen.

In dieser ersten Auswertung sei die Mortalitätsrate mit 34,6 % erschreckend hoch, bedauerte Garassino. Eine multivariate Analyse - adjustiert für die wichtigsten Risikofaktoren in der Normalbevölkerung - ergab jedoch kein eindeutiges Risikoprofil für eine erhöhte COVID-19-Mortalität bei Patienten mit thorakalen Tumoren. Es konnte auch keine Korrelation zwischen einem erhöhten Sterberisiko und bestimmten Therapien nachgewiesen werden. Zu den häufigsten Komplikationen im Krankheitsverlauf zählten eine Pneumonie/Pneumonitis mit 79,6 % sowie ein akutes respiratorisches Atemnotsyndrom mit 26,8 %.

Bericht vom AACR (American Assocciation for Cancer Research) Virtual Annual Meeting I vom 27.-29. April 2020