Auch wenn ein Nachbesetzungsverfahren bereits angelaufen ist, können sich abgabewillige Praxisinhaber noch umentscheiden. Erst wenn über die Nachbesetzung entschieden ist, ist das nicht mehr möglich. Das geht aus einem Urteil des Bundessozialgerichts hervor.

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Im Dreiecksverhältnis zwischen einem Arzt, der seinen Sitz abgeben will, den Zulassungsgremien und den Nachfolgebewerbern hat das Bundessozialgericht die Belange der Praxisabgeber gestärkt. Sie können ihren Antrag auf ein Nachbesetzungsverfahren noch solange zurückziehen, bis über die Nachbesetzung selbst entschieden ist, urteilte das höchste deutsche Sozialgericht im Februar [Az.: B 6 KA 19/18 R]. Die Zwischenentscheidung der Zulassungsgremien, ein Nachbesetzungsverfahren zu eröffnen, ändert daran noch nichts.

Genügend Anlässe, sich zu streiten

Es gibt verschiedenste Gründe, warum Ärzte bei Aufgabe ihres Sitzes selbst Einfluss auf die Nachfolge nehmen wollen. Wirtschaftlich ist ihnen der "Verkehrswert" der Praxis zwar formal garantiert. Faktisch gibt es mit dem Nachfolger aber nicht selten Streit - etwa weil er keine Bürgschaft beibringen will oder trotz seiner Zusicherung doch noch Gründe findet, den Preis zu drücken. Oft gibt es auch nicht wirtschaftliche Gründe, etwa den Wunsch, die Praxis an einen bekannten oder befreundeten Kollegen abzugeben oder die Möglichkeit, noch einige Jahre ohne wirtschaftliche Verantwortung als angestellter Arzt in Teilzeit weiterzuarbeiten.

Mitbewerber klagte

So war es auch in dem nun entschiedenen Fall. Ein Orthopäde aus Herne wollte befristet weiterarbeiten und hatte sich mit einer benachbarten Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) entsprechend auf die Abgabe des Sitzes mit nachfolgender Anstellung geeinigt. Die Zulassungsgremien kamen dem auch nach. Sie entschieden zunächst, dass der Sitz nicht eingezogen, sondern ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wird. Dann bekam auch die Wunsch-BAG den Zuschlag. Dagegen klagte aber ein Mitbewerber, dem das Sozialgericht Gelsenkirchen auch einstweiligen Rechtsschutz gewährte. Damit war die Nachfolge der BAG bis zu einer rechtskräftigen Klärung - und damit wohl für Jahre - ausgesetzt.

Rücknahme ist zulässig

Vor diesem Hintergrund zog der abgebende Arzt seinen Antrag auf Nachbesetzung zurück. Stattdessen verzichtete er im Tausch gegen eine Anstellung in der BAG auf seinen Sitz. Der Nachteil für ihn: Gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das so Missbrauch verhindern wollte, muss er nun mindestens drei Jahre angestellt tätig bleiben. Der Mitbewerber meinte allerdings, dass der abgebende Arzt seinen Antrag auf Nachbesetzung nicht mehr hätte zurücknehmen dürfen. Schließlich habe der Berufungsausschuss bereits rechtskräftig entschieden, ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen. Wie nun das Bundessozialgericht entschied, war die Rücknahme aber zulässig. Damit habe sich das Nachbesetzungsverfahren insgesamt erledigt.

Einspruch erst gegen finale Bewerberauswahl

In seiner Begründung führte der Vertragsarztsenat des Bundessozialgerichts aus, dass sich durch die Entscheidung, ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen, nichts an den Rechtspositionen der Beteiligten ändert. Das Nachbesetzungsverfahren soll demnach die Belange des abgebenden Arztes sichern. Die seien aber mit der Entscheidung für eine Nachbesetzung noch nicht abschließend berücksichtigt. Für den abgebenden Arzt gehe es um seinen Sitz, für Bewerber dagegen nur um Chancen. Bewerber könnten Rechte daher erst gegen die abschließende Auswahlentscheidung geltend machen.

Unverbindlich, als Obiter Dictum, stellte der Vertragsarztsenat klar, dass nach seiner Ansicht eine Antragsrücknahme auch noch dann möglich ist, wenn die KV den Sitz einziehen möchte. Auch dann müsse einem abgabewilligen Praxisinhaber die Alternative bleiben, diesen Sitz weiterhin selbst zu nutzen.