Liebe Leserinnen und Leser,

die Zahl der weltweit und in Deutschland an dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 erkrankten Menschen steigt rasch. Dabei sind Krebserkrankte häufig ganz besonders verunsichert:

  1. Zum einen, weil sie aufgrund ihrer Erkrankung und der notwendigen Therapien ein besonders hohes Risiko haben, einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung zu erleiden,

  2. zum anderen, weil sie sich Sorgen machen, ob ihre Krebstherapie so durchgeführt werden kann, wie es notwendig ist.

Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) hat Empfehlungen für Ärztinnen und Ärzte sowie Informationen für Patientinnen und Patienten herausgegeben. Kernpunkt ist die individuelle Abwägung des Risikos, das von einer Krebserkrankung ausgeht, gegenüber dem Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2. Hierbei muss klar sein, dass die Angst vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 die Behandlung einer existierenden, lebensgefährlichen Erkrankung wie Krebs nicht verzögern, geschweige denn verhindern darf.

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Wer ist besonders gefährdet?

SARS-CoV-2 ist hoch ansteckend. Insbesondere Patientinnen und Patienten mit Krebs- und Blutkrankheiten müssen einen schweren Verlauf bei Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 befürchten. Es gibt nur wenige Erfahrungen mit COVID-19 bei Krebspatientinnen und -patienten; italienische wie chinesische Berichte lassen jedoch erkennen, dass Krebserkrankte einen überproportional großen Anteil der an COVID-19 Verstorbenen ausmachen.

Zudem wissen wir, dass andere Virusinfektionen der oberen Luftwege wie Influenza unsere Krebspatientinnen und -patienten in besonderer Weise gefährden. Folgende Krebspatientinnen und -patienten haben leider eine hohe Wahrscheinlichkeit, einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung zu erleiden:

  1. Patientinnen und Patienten mit einem geschwächten Immunsystem durch Leukämien und Lymphome (bei aktiver Erkrankung),

  2. Patientinnen und Patienten mit einer niedrigen Zahl weißer Blutkörperchen,

  3. Patientinnen und Patienten mit niedrigen Immunglobulinwerten,

  4. Patientinnen und Patienten mit langdauernder Unterdrückung des Immunsystems, z. B. durch Steroide oder nach allogener Stammzelltransplantation und anderen zellulären Therapien.

Demgegenüber haben viele andere Krebspatientinnen und -patienten mit chronischer und/oder gut beherrschter Erkrankung oder nach einer erfolgreichen Erstbehandlung möglicherweise kein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bei Ansteckung mit SARS-CoV-2.

Worauf müssen Krebspatientinnen und -patienten besonders achten?

Die empfohlenen Schutzmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) gelten auch für Krebspatientinnen und patienten. Dazu gehören:

  1. die freiwillige Isolation (weitestgehende Einschränkung sozialer Kontakte, Abstand zu anderen halten),

  2. Beachten erster Krankheitszeichen wie Husten und Fieber sowie rasches Handeln (bei Krankheitszeichen sofortige telefonische oder elektronische Kontaktaufnahme mit Arzt oder Krankenhaus),

  3. Patientinnen und Patienten zwischen zwei stationär oder ambulant durchgeführten Therapiezyklen sollten in der Häuslichkeit soweit wie möglich isoliert werden, um die Gefahr einer Infektion durch im Haushalt lebende Personen zu minimieren.

Empfehlungen zur Entscheidungsfindung

In ihren Empfehlungen rät die DGHO Patientinnen und Patienten mit Blut- oder Krebserkrankungen, besonders achtsam zu sein und den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden, vor allem zur freiwilligen Isolation, zu folgen. Die Entscheidung über Verzögerungen oder Änderungen einer Krebstherapie müssen individuell von Arzt und Patient gemeinsam getroffen werden. Dabei darf die Angst vor einer möglichen Infektion mit dem SARS-CoV-2 die Bekämpfung einer bereits existierenden, real lebensgefährlichen Blut- oder Krebserkrankung nicht beeinträchtigen. Kliniken und Praxen müssen gewährleisten, dass Patientinnen und Patienten mit einer akuten Leukämie oder einer anderen, lebensbedrohlichen Krebskrankheit auch weiterhin die bestmögliche Behandlung bekommen.

Bei der Entscheidung, ob Krebstherapien verschoben werden sollen, muss der Nutzen der Behandlung trotz Infektionsgefahr gegen den möglichen Schaden, der durch eine Verschiebung verursacht wird, abgewogen werden. Dabei ist das individuelle Erkrankungsrisiko unterschiedlich. Es hängt u. a. ab von

  1. den individuellen Lebensumständen,

  2. den persönlichen Kontakten und

  3. der lokalen Behandlungssituation in Klinik oder Praxis.

Bei den meisten akut an Krebs erkrankten Patientinnen und Patienten steht der Nutzen einer sinnvollen und geplanten Krebstherapie über dem Risiko einer möglichen Infektion mit SARS-CoV-2. Bei Patientinnen und Patienten mit chronischer und gut beherrschter Krebskrankheit hingegen kann individuell über eine Therapieverschiebung entschieden werden.

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© Photographee.eu / stock.adobe.co (Symbolbild mit Fotomodell)

Patientinnen und Patienten mit bestimmten Krebs- und Blutkrankheiten müssen ggf. einen schweren Verlauf bei Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 befürchten. Das konkrete individuelle Risiko hängt dabei von vielen verschiedenen Faktoren ab - etwa, ob eine krankheits- oder therapiebedingte Immunsuppression besteht und/oder ob Leukozyten und/oder Immunglobuline erniedrigt sind.

Inhalt dieses Schwerpunkts

In dieser Ausgabe wird dem Thema COVID-19 und Krebs neben diesem Editorial in drei weiteren Beiträgen Rechnung getragen:

  1. Alexandros Papachristofilou, Basel, Schweiz, und Kollegen beleuchten am Beispiel der Radioonkologie, wie onkologische Kliniken angesichts der Pandemie wirksame onkologische Therapien bestmöglich sicherstellen können - Seite 12

  2. Stefan Kluge, Hamburg, und Kollegen liefern in Ihrem Beitrag allgemeine Empfehlungen zur intensivmedizinischen Behandlung von Patientinnen und Patienten mit COVID-19 - Seite 17

  3. Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdiensts (KID) am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, berichtet, welche Fragen Krebsbetroffene derzeit besonders umtreiben und wie der KID in dieser Situation damit beratend umgeht - Seite 20

Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre!

Ihr

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© Universitätsmedizin Göttingen (UMG)

Prof. Dr. med. Lorenz Trümper

Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO

Direktor der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Göttingen

truemper@dgho.de