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Mehrere hundert Anfragen pro Tag erhält der Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ von verunsicherten Krebspatienten aktuell. Was sind Fragen, die Betroffene angesichts von COVID-19 besonders umtreiben? Und was kann man den Patienten raten? Wir haben darüber mit Dr. Susanne Weg-Remers, Leiterin des KID, gesprochen.
? Springer Medizin: Was würden Sie behandelnden Ärzten raten, wie sollen Sie auf die Sorgen ihrer Patienten reagieren?
Dr. Susanne Weg-Remers: Also ich glaube, dass es gut ist, wenn die behandelnden Ärzte für ihre Patienten ansprechbar sind, im Zweifelsfall auch telefonisch, einfach weil das das Risiko verringert, dass sich die Patienten auf dem Weg zur Praxis oder im Wartezimmer den neuartigen Coronavirus einfangen. Und natürlich muss man die Sorgen der Menschen ernst nehmen, muss aber tatsächlich auch schauen: hat die Sorge eine reelle Grundlage oder kann man die Patienten auch ein Stück weit beruhigen?
? Gibt es auch Fragen von Krebspatienten, die unter Symptomen leiden, die zu einer COVID-19-Infektion passen, und wissen wollen, was jetzt zu tun ist? Was raten Sie diesen Betroffenen?
Weg-Remers: Ja, diese Fragen gibt es. Seit dem 25. März empfiehlt das Robert-Koch-Institut (RKI) Menschen mit neu aufgetretenen Atemwegsbeschwerden, die zu einer Risikogruppe gehören, sich auf das Coronavirus testen zu lassen. Dabei muss man beachten: Nicht jeder, der einmal Krebs hatte, gehört zur COVID-19-Risikogruppe. Krebspatienten, die ihre Behandlung hinter sich haben, und Betroffene, bei denen die Erkrankung gut beherrscht wird und denen es gut geht, tragen in der Regel kein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bei Ansteckung mit SARS-CoV-2. Das gilt natürlich nur, wenn sie nicht aus anderen Gründen zu einer Risikogruppe gehören, beispielsweise weil sie zusätzlich eine chronische Begleiterkrankung haben. Details kann man beim RKI finden, das für Behandelnde eine Orientierungshilfe zur Verdachtsabklärung zur Verfügung gestellt hat. Krebspatienten die jetzt akut unter neu aufgetretenen Atemwegsbeschwerden leiden, sollten das individuelle Vorgehen mit dem Hausarzt bzw. dem Gesundheitsamt abstimmen. Oder sie wenden sich an die von öffentlichen Einrichtungen regional angebotenen Corona-Telefonhotlines. Kurz: Die Vorgehensweise in Sachen COVID-19 ist mit Hausarzt, Gesundheitsamt etc. abzuklären, die onkologische Behandlung mit den therapieführenden Ärzten.
? Anhand welcher Kriterien kann ein behandelnder Arzt denn einschätzen, ob sein Krebspatient zur Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung gehört?
Weg-Remers: Alter und Allgemeinzustand spielen eine Rolle, das kann man ebenfalls bei der Risikoeinstufung des RKI finden. Wichtig ist deshalb die Frage, ob zusätzlich zur Krebserkrankung noch weitere Erkrankungen vorliegen, wie beispielsweise Lungen- oder Herzerkrankungen oder auch ein Diabetes mellitus oder chronische Lebererkrankungen - und insgesamt andere chronische Begleiterkrankungen, die das Immunsystem schwächen können oder Atemwegsinfektionen zum besonderen Problem werden lassen. Darüber hinaus gibt zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) aktuell (Stand: 31. März 2020) folgende Hinweise: Zur Risikogruppe gehören vor allem Krebspatienten, die ein geschwächtes Immunsystem haben oder auch Personen, bei denen zeitgleich weitere Infektionen der Atemwege auftreten. Man muss außerdem die individuellen Aspekte abfragen, wenn man versucht, das Risiko eines Patienten einzuschätzen. Das betrifft zum Beispiel eine laufende - also noch nicht abgeschlossene - Tumortherapie. Schließlich können viele Therapien - also Chemo-, Strahlen- aber auch manche zielgerichtete Therapien oder Antikörpertherapien - das Immunsystem noch zusätzlich schwächen. Darüber hinaus gibt es bestimmte Krebsarten, wie Leukämien und Lymphome, die mit einer krankheitsbedingten Schwächung des Immunsystems einhergehen. Und dann kann man natürlich im Labor schauen, ob die Blutwerte Hinweise darauf geben, dass das Immunsystem geschwächt ist, konkret ob es eine Leukopenie oder Lymphopenie gibt oder ob die Immunglobuline im Blut erniedrigt sind. Es ist in diesem Zusammenhang auch bedeutsam, welche Medikamente jemand einnimmt. Etwa gibt es Krebspatienten, die auch noch längere Zeit nach Abschluss der eigentlichen Akuttherapie immunsupprimierende Medikamente nehmen müssen. Ein Beispiel ist Kortison, das nach einer Blutstammzelltransplantation oder beispielsweise bei lymphatischen Leukämien oder bei Lymphomen bei einigen Patienten eingesetzt wird. Man muss also auf die individuelle Medikation gucken, ob da etwas dabei ist, was das Immunsystem schwächen kann.
? Würden Sie sagen, dass jeder Krebspatient einem Bluttest auf immunologische Parameter zu unterziehen ist?
Weg-Remers: Das lässt sich so konkret aus den Empfehlungen der onkologischen Fachgesellschaften nicht ableiten. Wie gesagt, sinnvoller ist es, auf die individuelle Erkrankungssituation zu schauen und im Zweifelsfall ein Blutbild anzufordern.
? Erreichen Sie bezüglich einer Unterbrechung der Krebstherapie auch viele Fragen?
Weg-Remers: Auch das wird bei uns gefragt und auch hier muss man ganz klar sagen, dass es keine pauschale Antwort gibt, die man den Patienten geben kann. Man muss wirklich den individuellen Fall angucken. Es gibt örtlich begrenzte Krebsarten, bei denen man sagen kann: man kann mit der Behandlung etwas warten, ohne dass die Patienten ein Risiko eingehen, dass die Heilungschance schlechter wird. Es gibt auch Krebserkrankungen, wo wir aus Studien gute Daten haben, wie lange man eine Therapie aufschieben kann, ohne dass sich die Prognose verschlechtert.
? Und welche Schutzmaßnahmen sollten Ärzte Ihren Krebspatienten denn ganz allgemein empfehlen?
Weg-Remers: Wichtig ist es auf jeden Fall, dass man die Hygieneregeln einhält. Sprich, dass man sich immer gut die Hände wäscht, wenn man vielleicht draußen war, und, dass man eben auch die Verhaltensempfehlungen einhält. Also: nicht zu viel nach draußen gehen, nicht zu viele soziale Kontakte pflegen, sondern eher im Haus bleiben und sich vielleicht von den Angehörigen versorgen lassen, so dass man nicht zum Einkaufen raus muss.
? Gibt es denn ganz spezielle Empfehlungen für Patienten, die besonders zur Risikogruppe zählen, etwa bei Immunsuppression?
Weg-Remers: Spezielle Empfehlungen über die, die schon genannt worden sind - Hygiene, Verhaltensänderungen und Testung bei neu aufgetretenen Atemwegssymptomen - hinaus, gibt es eigentlich nicht. Auch hier gilt wieder, Hygiene und Abstand halten, Sozialkontakte reduzieren, das ist das beste was man momentan machen kann. Und eben ggf. telefonisch Kontakt mit dem Hausarzt und dem Gesundheitsamt aufnehmen, um eine Testung auf SARS-CoV-2 bzw. die weitere Behandlung bei neu aufgetretenen Atemwegssymptomen abzuklären.
? Und sollten alle Krebspatienten, die z. B. noch nicht gegen Influenza oder Pneumokokken geimpft sind, nun geimpft werden?
Weg-Remers: Wir erhalten auch eine ganze Reihe von Anfragen von Krebspatienten, die sich fragen, ob sie sich jetzt noch gegen Influenza impfen lassen sollen oder auch gegen Pneumokokken. Und das ist insbesondere dann, wenn das Immunsystem geschwächt ist, empfehlenswert, weil die Patienten dann das Risiko verringern können, während einer COVID-19-Infektion sekundär an diesen Atemwegserkrankungen zu erkranken. Bei der Pneumokokkenimpfung wird mittlerweile der Impfstoff knapp und Ärzte sollen derzeit vor allen Dingen Personen über 70 Jahren gegen Pneumokokken impfen. Auf jeden Fall sollte man aber mit seinem behandelnden Arzt - am besten telefonisch - sprechen, ob er einem zu diesen Impfungen raten würde.
? Wissen Sie, ob es Hinweise gibt, dass Patienten mit Lungenkarzinom besonders gefährdet sind?
Weg-Remers: Die DGHO hat bei ihrer ersten Auflistung, welche Krebspatienten ein besonderes hohes Risiko haben, auch die Patienten mit Lungenkarzinomen erwähnt. Insbesondere die, die jetzt eine größervolumige Bestrahlung des Thorax bekommen. Weil das eine Körperregion ist, in der in den Knochen - im Knochenmark -, die Blutzellen gebildet werden und wo es bedingt durch die Bestrahlung zu Lymphopenien und Leukopenien kommen kann, sowie zu entzündlichen Veränderungen des Lungengewebes.
Frau Dr. Weg-Remers - vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Anika Aßfalg am 20. März 2020. Die Antworten wurden am 31. März 2020 von Dr. Weg-Remers aktualisiert. Lesen Sie das Interview in voller Länge online unter: www.springermedizin.de/link/17837432
krebsinformationsdienst@Dkfz-Heidelberg.de
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Aßfalg, A. Was Krebspatienten jetzt wissen wollen. InFo Hämatol Onkol 23, 20–21 (2020). https://doi.org/10.1007/s15004-020-8071-y
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