Neben Durchschnittsprüfungen geraten Ärzte immer wieder auch in Einzelfallprüfungen. Meist sind es Krankenkassen, die eine solche Prüfung veranlassen. Bei den Prüfungen im Einzelfall können grundsätzlich drei Arten unterschieden werden, sagt Georg Lübben, Arzt und Vorstand der Berliner AAC Praxisberatung AG.

Wenn Ärzte ein Arzneimittel verordnen, das laut Anhang zwei beziehungsweise drei der Arzneimittelrichtlinien nicht auf einem Kassenrezept rezeptiert werden darf, müssen sie eine Rückzahlungsforderung nach einer Einzelfallprüfung leider hinnehmen, sagt Lübben. Das ist lästig und ärgerlich, aber bei den umfangreichen Regelungen kann es eben vorkommen, dass der Arzt ein nicht verordnungsfähiges Arzneimittel übersieht. Auch die Praxissoftware „warnt“ hier leider nicht in jedem Fall!

Passt die Diagnose zu Verordnung?

Eine Einzelfallprüfung kommt zum Beispiel auch dann vor, wenn zu einer Verordnung keine passende Diagnose dokumentiert ist. „Denn die Kassen interpretieren eine Verordnung, in der keine für das Medikament zugelassene Diagnose hinterlegt wurde, als Off-Label-Use“, erklärt Lübben. Diese Prüfungen sind auch leicht durchführbar, denn die Pharmazentralnummer und der ICD-10 lassen sich gut automatisch abgleichen.

Gerät der Arzt hier in die Prüfung, werden nachträglich Diagnosen oder Begründungen selten akzeptiert. Wichtig wäre hier, dass der Arzt zumindest in der Dokumentation der Patientenakte belegen kann, dass der Patient eine qualifizierende Diagnose hat, diese jedoch nicht verschlüsselt wurde, sagt Lübben.

Arzt kann nicht Detektiv spielen

Eine zweite Variante von Einzelfallprüfungen betrifft Verordnungen während eines stationären Aufenthaltes eines Patienten. Das kann dann passieren, wenn Angehörige für Mutter, Vater oder ein sonstiges Familienmitglied eine Folgeverordnung abholen und nicht erwähnen, dass die oder der Angehörige im Krankenhaus liegt. Gegen solche Regresse sollten sich Ärzte wehren und Widerspruch einlegen, rät Lübben. Denn ein Arzt kann nicht auch noch Detektiv spielen und nachforschen, ob einer seiner Patienten gerade in der Klinik ist oder nicht.

Dokumentation erleichtert Argumentation

Beim dritten Spielfeld im Rahmen der Einzelfallprüfungen stehen Patienten im Fokus, die mit hochpreisigen Medikamenten versorgt werden. Dabei geht es häufig um Verordnungskosten von mehreren zehntausend Euro. Hier kommt es bei einer Prüfung darauf an, dass die Verordnung indikationsgerecht erfolgt ist. In der Vergangenheit haben Kassen Prüfungen im ersten Jahr der Vermarktung veranlasst, wenn bei den Arzneimitteln der AMNOG-Prozess noch nicht abgeschlossen beziehungsweise der Erstattungspreis noch nicht verhandelt wurde. Hier sollte der Arzt im Prüfungsfall darlegen können, warum das neue Arzneimittel verordnet wurde. Dies gelingt am ehesten, wenn der Arzt darlegen kann, dass preiswertere Alternativen nicht toleriert wurden, kontraindiziert waren oder keine ausreichende Wirksamkeit besaßen.

Eine standardisierte kurze Dokumentation erleichtert die Argumentation — wenn es mal zu einer Prüfung kommen sollte.