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Im Nationalen Krebsplan wurde bereits vor 10 Jahren das Ziel formuliert, Krebserkrankte durch Praktizierung der partizipativen Entscheidungsfindung (PEF) besser in Entscheidungen über medizinische Maßnahmen einzubeziehen. Das Recht auf eine informierte Entscheidungsfindung ist zudem seit 2013 durch den Gesetzgeber im Patienterechtegesetz verankert. Gleichzeitig zeigen Studien, dass in der onkologischen Versorgung dieser Paradigmenwechsel noch nicht vollzogen worden ist. Krebserkrankte werden weit weniger häufig im dem Maße in die Entscheidungsfindung einbezogen, wie es sich die große Mehrzahl wünscht.

Barrieren der Umsetzung

Die Gründe für die geringe Umsetzung der PEF sind vielfältig. Auch wenn viele Versorger/innen eine generell positive Einstellung zur PEF haben, so gibt es doch hier doch häufig Einstellungs- und Wissensbarrieren. Hierzu zählt u.a. die Überschätzung der eigenen Umsetzung und die Unterschätzung der Beteiligungspräferenzen der Krebserkrankten.

Auf Seiten der Patientinnen und Patienten wissen wir mittlerweile: „knowledge is not power“ [Joseph-Williams et al. Pat Educ Couns. 2014;94(3):291-309] — neben verständlicher Information braucht es auch Bestärkung, dass man sich aktiv in das Gespräch mit dem Behandelnden einbringen darf. In meiner klinischen Arbeit höre ich sehr häufig, dass Patientinnen und Patienten — selbst solche mit hohem sozioöknomischen Status und guter Gesundheitskompetenz — sich nicht trauen, ihrem Arzt oder ihrer Ärztin Fragen zu stellen; dass sie sich sorgen, als „schwieriger Patient“ zu gelten, oder Angst vor Ablehnung und Unverständnis durch den Arzt haben, wenn sie nach Therapiealternativen fragen.

Natürlich gibt es auch Barrieren, welche auf Ebene der Gesundheitseinrichtungen (z. B. der Krebszentren) oder des deutschen Gesundheitssystems angesiedelt sind. So können z.B. Arbeiten unter hohem Zeitdruck, geringe Priorisierung auf der Ebene von Zentrumsleitungen, finanzielle Fehlanreize, fehlende Kompetenzschulungen in Aus- und Weiterbildung oder aber auch Zertifizierungsrichtlinien die Umsetzung von PEF erschweren [Scholl I et al. Implement Sci. 2018;13:40].

Möglichkeiten der Förderung

Klar ist, dass es für eine Förderung von PEF Modifikationen auf vielen Ebenen braucht. Neben der bereits zunehmenden Integration des Themas in das Medizinstudium, braucht es vertiefende Lernerfahrung in der onkologischen Weiterbildung, aber auch Ermutigung und Rollenmodelle auf Ebene von Führungspersonen in der onkologischen Versorgung in Deutschland. Neben dem bereits bestehenden Forderungen von Vertretern der Selbsthilfe zur Umsetzung der PEF, könnten auch Fachgesellschaften mit einer stärkeren Thematisierung die Umsetzung fördern. Aber auch im Gesundheitswesen könnte angesetzt werden. So könnten z. B. auf nationaler Ebene Entscheidungshilfen entwickelt und bereitgestellt werden; auch könnte die PEF in allen onkologischen Leitlinien und Behandlungspfaden konsequent Berücksichtigung finden und PEF als Qualitätsindikator oder Zertifizierungskriterium aufgenommen bzw. finanzielle Anreizsysteme verändert werden.

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Dr. Isabelle Scholl

Leiterin der Forschungsgruppe Patientenzentrierte Versorgung: Evaluation und Umsetzung Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf i.scholl@uke.de

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Was kann ich als Versorger/in tun?

Es wäre möglich, die Flinte in Korn zu schmeißen und sich hinter strukturellen und organisationalen Barrieren zu verstecken. Doch stattdessen kann jede/r einzelne, der/die an der Versorgung von Krebserkrankten beteiligt ist, zu mehr PEF beitragen. Folgende Anregungen möchte ich geben:

  1. 1.

    Ermutigen Sie Ihre Patientinnen und Patienten und ggf. auch deren Angehörige Fragen zu stellen und sich aktiv in das Gespräch einzubringen

  2. 2.

    Erfragen Sie Ziele, Wünsche und Präferenzen Ihrer Patientinnen und Patienten.

  3. 3.

    Machen Sie Unsicherheiten (z. B. hinsichtlich Evidenz von Therapien, Prognosen, Kurz- und Langzeitfolgen) transparent

  4. 4.

    Geben sie schriftliche Informationsmaterialien aus (z. B. Ratgeber der Deutschen Krebshilfe) und informieren Sie Patientinnen und Patienten, wie sie evidenzbasierte Patienteninformationen finden können (z. B. über den Krebsinformationsdienst)

  5. 5.

    Machen Sie sich mit dem Modell der PEF vertraut und wenden Sie es an [z. B. Elwyn G et al. BMJ. 2017;359:j4891; Politi MC et al. Oncologist. 2012;17(1):91-100].

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