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Prof. Dr. med. Mathias Freund

Vorsitzender des Kuratoriums der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. m.freund@junge-erwachsene-mit-krebs.de

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Anfang der 1970er Jahre habe ich sie als Student noch gesehen: junge Patienten im Endstadium eines Hodgkin-Lymphoms oder mit chronischer myeloischer Leukämie. Sie lagen auf den Stationen und warteten auf ihren Tod.

Eine bessere Prognose wirft andere Fragen auf

Die Situation junger Krebspatienten hat sich heute grundlegend gebessert: 80 % können geheilt werden. Damit ändert sich auch in anderer Hinsicht ihre Perspektive. Nach der Frage „Wie kann meine Krankheit besiegt werden?“ steht jetzt die Frage im Vordergrund: „Wie ist mein Leben nach der Erkrankung?“ In Deutschland müssen sich jedes Jahr rund 15.000 junge Patienten zwischen 18 und 39 Jahren mit solchen Fragen auseinander setzen.

Zu einem erfüllten Leben gehören Familie und eigene Kinder. Chemotherapie und Bestrahlung, in manchen Fällen auch die Krebserkrankung selbst, bedrohen die Fruchtbarkeit. Maßnahmen wie die operative Verlagerung der Ovarien bei den Frauen oder die Kryokonservierung von Keimzellen oder Keimzellgewebe bei Frauen und Männern sind medizinisch gut etabliert. Sie können den Betroffenen die Aussicht auf eigene Kinder erhalten. Nicht ohne Grund sehen viele krankheitsspezifische Leitlinien die Aufklärung über Fertilität und Fertilitätserhalt als zwingenden Standard vor. Eine übergreifende Leitlinie der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.) wird in Kürze erscheinen.

Es wird aber meist ausgeblendet, dass die Kosten für diesen Fertilitätserhalt vom Solidarsystem in der Regel nicht übernommen werden. Eine Eizellkonservierung kostet die jungen Frauen bis zu 4.300 €. Junge Männer müssen etwa 500 € für die Spermakonservierung selbst tragen. Hinzu kommen für beide Geschlechter Kosten für die Stickstoff-Lagerung von etwa 300 € pro Jahr.

Vielleicht liegt es an der umfangreichen Rechtsprechung, die sich auf §§ 27 und 27a des Sozialgesetzbuchs (SGB) V bezieht, dass hier so wenig Klarheit herrscht. Kurz zusammengefasst sind die Maßnahmen zum Fruchtbarkeitserhalt durch vorbeugende Verlagerung der Ovarien oder vorbeugendes Einfrieren von Keimzellen oder Keimzellgewebe nach § 27 SGB V nicht Teil einer Krankenbehandlung und damit nicht durch die Krankenkassen zu finanzieren. Nur verheiratete Paare können evtl. unter eng definierten Voraussetzungen nach § 27a SGB V einen Kostenzuschuss von 50 % erhalten.

Für die jungen Menschen entsteht eine ganz besondere Notlage. Die Maßnahmen für die Fruchtbarkeitserhaltung müssen durchgeführt werden, bevor die onkologische Therapie beginnt. Der Zeitdruck ist enorm. Die Betroffenen erleben nach der Diagnose einen katastrophalen Zusammenbruch ihrer bisherigen Lebensperspektiven, der erst bewältigt werden muss. Die Erkrankung trifft Menschen, die sich über eine Familie und eigene Kinder bis dahin häufig noch keine Gedanken gemacht haben. Dies ist besonders bei den jungen Männern der Fall. In dieser Zeit soll dann die Entscheidung über Kosten getroffen werden, die die jungen Patienten selbst oft gar nicht aufbringen können. Für die Aufklärungsgespräche ist das eine schwere Belastung.

Hat sich die Politik bewußt gegen eine Finanzierung der Fruchtbarkeitserhaltung für Krebspatienten entschieden? Ich glaube es nicht. Dieser Punkt lag beim Gesetzgebungsprozess nicht im Blick. Dieses Detail ist einfach nicht gesehen worden.

Fertilitätserhalt als Teil der Krebstherapie erstatten

Stellen wir uns auf die Seite der Betroffenen und betrachten es aus ihrer Sicht. Die Fruchtbarkeitserhaltung gehört zur Behandlung der Krebserkrankung und muss daher auch in diesem Rahmen finanziert werden. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie wird in Zusammenarbeit mit der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs eine Änderung des § 27 SGB V vorschlagen. Machen Sie mit Ihren frisch gewählten Bundestagsabgeordneten einen Termin und helfen Sie mit bei der Durchsetzung einer Änderung. Ist das nicht eine lohnenswerte Perspektive?

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