„Wir machen alle gerade ein biologisches Experiment mit unserem Umgang mit Licht“, meinte Werner Cassel, Marburg, auf dem Deutschen Krebskongress 2016. „Der moderne Mensch lebt tagsüber oft in physiologischer Dunkelheit und gerät abends in Lichtüberschuss.“ Darauf weist auch eine Studie mit Marburger Medizinstudenten hin, die oft tagsüber nicht über eine Lichtexposition von 40, 50 Lux hinauskommen. Selbst an einem trüben Novembertag herrschen dagegen im Freien 12.000 Lux und an schönen Sommertagen sogar 120.000 Lux.

Eine physiologische Antwort des Körpers lasse sich ab etwa 50 Lux feststellen, so Cassel. Einen Anstieg darüber hinaus zeigten die Luxmeter der Probanden ausgerechnet abends gegen 23 Uhr. „Im Badezimmer sind oft Leuchtquellen mit der höchsten Lichtstärke in der Wohnung“, erläuterte Cassel. „Da bekommt die abends ansteigende, schlaffördernde Melatoninkurve ausgerechnet vor dem Zubettgehen einen Knick.“ Eine gedämpfte Beleuchtung im Bad und eine reduzierte Helligkeit von Fernsehern und Monitoren von Computer, Tablett und Smartphone am Abend können daher eine wichtige Maßnahme hin zu einem adäquaten Umgang mit Licht sein. Dies ist auch ein wichtiger verhaltenstherapeutischer Baustein bei Schlafstörungen.

Melatonin wichtig auch für Tumorabwehr

Die Erhöhung des nächtlichen Melatoninspiegels sollte laut Cassel auch bei Tumorpatienten eine hohe Priorität haben — nicht nur aus Gründen der Schlafhygiene. Im Leberkrebsmodell in der Ratte führten Dauerlichtbedingungen zu einem rascheren Tumorwachstum [Blask DE et al. Cancer Res. 2005;65(23):11174-84]. Melatoninreiches, nachts bei prämenopausalen Frauen abgenommenes Blut führte dagegen bei Mammakarzinom-Xenograftmodellen und bei Hepatomen der Ratten zu einer Suppression der Proliferation der Tumoren.

Anderen Tierexperimenten zufolge scheint Melatonin unter anderem über eine Hemmung der Expression des Proteins HIF-1α antiangiogen zu wirken [Kim KJ et al. J Pineal Res. 201354(3):264-70]. In einer Metaanalyse von zehn zwischen 1992 und 2003 publizierten randomisiert-kontrollierten Studien zeigte sich bei zahlreichen soliden Tumoren eine deutliche Risikoreduktion der 1-Jahres-Mortalität bei Melatoningabe (allein oder ergänzend zu einer andere Therapie), das relative Risiko über alle Studien hinweg lag bei 0,66 (95 %-Konfidenzintervall 0,59–0,73) [Mills E et al. J Pineal Res. 2005;39(4):360-6]. Schwere Nebenwirkungen wurden nicht berichtet.

„Sind Sie zufrieden mit ihrem Schlaf?“

Schlafprobleme sprechen Patienten selten selber an. Das gilt den Erfahrungen von Stefan Cohrs, Rostock, zufolge auch für Tumorpatienten. Ein erholsamer Schlaf ist aber gerade auch für Krebspatienten wichtig. So waren beispielsweise in einer Studie mit Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom die Überlebenswahrscheinlichkeit und die Schlafeffizienz nach Berücksichtigung zahlreicher anderer Einflussparameter miteinander assoziiert [Palesh O et al. Sleep. 2014;37(5):837-42.].

Als Einstiegsfrage empfiehlt Cohrs daher: „Sind Sie zufrieden mit ihrem Schlaf?“ Dann könne man bei Unzufriedenheit gezielt nachfragen, ob es Einschlaf- oder Durchschlafstörungen gebe. Die Frage nach der Zahl der geschlafenen Stunden ist dagegen wenig hilfreich — es gibt Menschen, die mit fünf Stunden pro Nacht auskommen, und solche, die neun Stunden Schlaf brauchen.

Therapeutisch steht laut Herwig Strick, Marburg, bei Schlafstörungen bei Tumorpatienten zunächst die Ursachensuche und -bekämpfung im Vordergrund, außerdem verhaltenstherapeutische Maßnahmen im Sinne von Schlaf- und Lichthygiene (wie beschrieben). Erst in dritter Linie empfiehlt er, medikamentöse Therapien zu erwägen und hier weniger Benzodiazepine, eher sedierende Antidepressiva und Neuroleptika sowie zur Schmerztherapie z. B. Gabapentin und Pregabalin zu verwenden.