Die Beantwortung medizinischer Fragestellungen gerät in Deutschland häufig zur Farce. Medial kommuniziert werden Behauptungen, Meinungen, Narrative, Ideologien berufener und unberufener Experten und Spezialisten. Antwortsuchende bleiben verwirrt, ungläubig und unwissend zurück. Pandemie, Epidemie, Gefährlichkeit der Virusmutationen, sind die Krankenhäuser überlastet oder nicht, welche Impfungen sind zu empfehlen, welche Nebenwirkungen gibt es?

Für eine fundierte evidenzbasierte Aussage fehlt die Vernetzung der multilokulär erhobenen medizinischen Daten. Die lagern fein säuberlich verteilt bei den Krankenkassen, in Krankenhäusern und Arztpraxen. Ihre zentrale Zusammenführung ist bisher gescheitert. Für Forschungsvorhaben wird daher gern auf den Datenschatz der Krankenkassen zurückgegriffen. Dazu bedarf es der Zustimmung jeder einzelnen Krankenkasse sowie der zuständigen aufsichtsführenden Behörde. Die Prüfung der zigseitigen Antragsstellung auf Zulässigkeit braucht Zeit. Möglich, dass das Forschungsergebnis letztendlich Archivierende sichten.

Also verlassen wir uns, wie in anderen Bereichen auch, gern auf die nahe und ferne Nachbarschaft. Valide Studien zur Pandemie kamen aus Großbritannien, den USA und Israel. So lässt sich auch die Datenschutzdebatte umgehen.

Im Jahr 2018 wurde die europäische Datenschutz-Grundverordnung eingeführt. Sie gewährt den nationalen Behörden Interpretationsspielräume. In Ländern wie Dänemark, Finnland und ähnlich in Großbritannien sind die verpflichtend in zentralen Registern gesammelten Behandlungsdaten der Wissenschaft und Gesundheitsversorgung zugänglich. Der deutsche Verwaltungs- und Datenschutz_dschungel verhindert den Abgleich lebenslanger Krankenversicherungsnummern mit den zugehörigen Patientendaten. Damit gerät die Verfolgung einer Erkrankung, die von verschiedenen Ärztinnen und Ärzten behandelt und gemeldet wurde, zu einem zeitaufwendigen Puzzle. Der Amtsschimmel trabt gemächlich. Und die Ärzteschaft huldigt dem Mantra, dass die Patientinnen und Patienten der Nutzung ihrer Daten "ausdrücklich und informiert zugestimmt haben müssen". Dessen Wissensgrundlage auf einen entscheidungsfähigen Level zu heben ist allerdings eine ambitionierte Anforderung. Mit dem besonderen Gewicht deutscher Datenschützerinnen und -schützer auf der erforderlichen Patienteneinwilligung konnten die Meldezahlen, zum Beispiel für das Traumaregister, wesentlich übersichtlicher gestaltet werden: Die Daten der komatösen Schwerstverletzten fielen weg.

Der 81. Bayerische Ärztetag sah in der Digitalisierung primär ein Instrument der Entbürokratisierung. Der damit verbundene Zeit- und Arbeitsaufwand sowie die Schaffung der technischen Voraussetzungen müsse angemessen vergütet werden. Eine Sekundärnutzung von Patientendaten, etwa für die Forschung, rangierte unter "ferner liefen". Aber: Fehlende Daten schaffen der Demagogie Freiräume.

Mehr erregte die Ärzteschaft die Sicherstellung der ambulanten Versorgung. Die Niederlassung verliere an Attraktivität, nicht zuletzt durch eine seit Jahren überfällige Novellierung der GOÄ. Da sind Tierärztinnen und -ärzte weiter: Im November 2022 trat eine im Schnitt 20%ige Anpassung der von Bundesregierung und Bundesrat beschlossenen Gebührenordnung (GOT) in Kraft. Das diene auch dem Tierschutz, ließ der Bundesverband praktizierender Tierärzte e. V. verlauten, da so genügend Praxen in der Fläche erhalten blieben. Hauptsache, "Waldi" geht's gut.

Orthopädie & Rheuma wünscht allen Leserinnen und Lesern frohe Festtage und erhofft sich, dass wir das Jahr 2023 gemeinsam mit genügend Energie durchstreifen.

Ihr

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Dr. med. Michael Pieper (Chefredakteur) Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie, Rheumatologie