Wie wirksam sind Antidepressiva in der Behandlung chronischer Rücken-, Ischias- und Arthroseschmerzen? Der Nutzen ist eher gering

Antidepressiva gelten international als anerkannte Therapieoption bei chronischen Schmerzen. US-amerikanische Fachgesellschaften setzen bei bestimmten Indikationen auf SNRI, speziell bei Arthrosepatienten, die gleichzeitig an generalisierten Schmerzen und/oder Depressionen leiden. Das britische NIH sieht in Amitryptilin oder Duloxetin die bevorzugte Therapieoption bei verschiedenen Formen neuropathischer Schmerzen, inklusive Rückenschmerzen mit radikulärer Symptomatik.

Ob Schmerzpatienten damit wirklich geholfen ist, konnte bislang nicht bewiesen werden. Dieser Frage gingen Giovanni E. Ferreira von der Universität Sydney und sein Team in einer aktuellen Metaanalyse nach. Die Auswertung umfasst 33 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 5.318 Patienten. 19 Studien befassten sich mit der Wirksamkeit von Antidepressiva bei chronischem Rückenschmerz, sechs bei Ischiasbeschwerden und acht bei Gonarthroseschmerz. Als Kriterium für klinische Relevanz war eine Besserung um mindestens 10 Punkte auf einer 100-Punkte-Skala angesetzt. In der Zusammenschau der Daten kamen die Forscher zu folgenden Ergebnissen:

  • Bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen kann die Einnahme von SNRI über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten zwar Schmerzen und Behinderung leicht bessern, dieser Effekt ist aber klinisch wahrscheinlich irrelevant (mittlere Evidenz).

  • Trizyklische Antidepressiva (TCA) haben offenbar keinerlei Auswirkungen auf Rückenschmerzen und dadurch bedingte funktionelle Einschränkungen (niedrige Evidenz).

  • Chronische Ischiasschmerzen können durch TCA und SNRI möglicherweise gelindert werden (geringe Evidenz). Die Forscher betonen, dass sämtliche Studien zum Ischias durch geringe Teilnehmerzahlen und ein hohes Verzerrungsrisiko limitiert waren.

  • Arthroseschmerzen im Knie konnten durch Einnahme von SNRI mittelfristig gebessert werden; den Forschern zufolge ist ein klinisch bedeutsamer Effekt hier "nicht auszuschließen" (mittlere Evidenz).

Für andere Substanzklassen wie SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer), NDRI (Norepinephrin- und Dopamin- Reuptake-Inhibitoren) und tetrazyklische Antidepressiva war die Evidenz insgesamt gering bis sehr gering.

Für die Autoren legen die Daten nahe, dass keine dieser Substanzen bei Rückenschmerzen effektiv ist. Für diese Indikation sollten sie demnach nicht verschrieben werden.

Die Forscher kritisieren nicht zuletzt den relativ hohen Anteil an industriegesponserten Studien. Es sei dringend nötig, große, unabhängige Studien aufzulegen, um die verbleibenden Fragen, insbesondere zur Wirksamkeit von Antidepressiva bei Ischias- und Arthroseschmerz, zu klären.

Fazit: Antidepressiva bringen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen offenbar keinen echten Gewinn, das Risiko für Nebenwirkungen ist dagegen beträchtlich. In der Metaanalyse blieben die Effekte durchweg unter der Schwelle für klinische Relevanz. Bei Arthroseschmerzen ist die Wirksamkeit nicht auszuschließen. Für Ischiasschmerzen war die Evidenz zu gering, um daraus eine Empfehlung abzuleiten.

Ferreira GE et al. Efficacy and safety of antidepressants for the treatment of back pain and osteoarthritis: systematic review and meta-analysis. BMJ 2021;372:m4825