Ab Januar 2021 wird es in Deutschland E-Patientenakten geben. Die vier Oppositionsparteien im Bundestag stimmten dem Regierungsentwurf zum Patientendatenschutzgesetz nicht zu.

Die E-Patientenakte (ePA) kann durchstarten. Rund 16 Jahre, nachdem dieses Projekt aufs Gleis gesetzt wurde, hat jetzt der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD das Patientendatenschutzgesetz (PDSG) beschlossen. Dagegen stimmten die Fraktionen von AfD, FDP und Linken, die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich.

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© Bernd von Jutrczenka / dpa / picture alliance

Die Digitalisierung soll nicht nur bei den Patienten ankommen: Gesundheitsminister Jens Spahn, bei einem Pressestatement nach der Verabschiedung des Patientendatenschutzgesetzes im Bundestag.

Das regelt das PDSG

Mit dem Gesetz wird die Vorgabe scharfgeschaltet, dass Krankenkassen ab Januar 2021 ihren Versicherten eine ePA anbieten müssen, während das analoge Datensystem fortbestehen wird.

Im PDSG sind folgende Regelungen festgezurrt:

  • Für die Versicherten ist die Nutzung der Akte freiwillig. Sie entscheiden, was darin gespeichert sein soll. Sie können Ärzten den Einblick in die Akte verweigern. Ab Januar 2022 erhalten Versicherte die Möglichkeit, genau zu steuern, welcher Arzt oder Therapeut auf welche Daten zugreifen können darf.

  • Niedergelassene Ärzte, die erstmals Daten in eine ePA eintragen, erhalten dafür eine Entschädigung von 10 €. Unterstützen müssen sie ihre Patienten allerdings nur im jeweils aktuellen Behandlungskontext.

  • In der ePA abgebildet werden können Befunde, Arztberichte und Röntgenbilder; ab 2022 sollen der Impfausweis, der Mutterpass, das gelbe U-Heft für Kinder und das Zahn-Bonus-Heft in der Akte gespeichert werden.

  • Mit dem PDSG wird die Entwicklung einer App für das E-Rezept durch die gematik angestoßen.

  • Ab 2023 können Versicherte ihre in der ePA abgelegten Daten freiwillig zu Forschungszwecken "spenden".

  • Um die Digitalisierung der Pflege voranzutreiben, sollen alle in der Altenpflege Beschäftigten eine der Arztnummer vergleichbare Identifikationsnummer erhalten. Das soll auch dem Abrechnungsbetrug entgegenwirken.

Spahn: "Wir müssen anfangen!"

"Die Digitalisierung soll nicht nur bei den Patienten ankommen", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Verlauf der Abschlussdebatte vor der Abstimmung zum PDSG . Die Einführung der ePA ab Januar werde nicht ohne Probleme ablaufen. "Aber wir müssen anfangen", sagte der Minister.

Mit der Einführung der ePA werde die analoge Patientenbuchführung nicht abgeschaltet, sagte SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut. Somit könne nicht die Rede davon sein, dass digital nicht affine Menschen dann auf der Strecke blieben. "Das PDSG ist ein gutes, sicheres Gesetz, das den Datenschutz in den Vordergrund stellt", sagte Heidenblut.

Opposition übt Kritik

Genau das stellten die Oppositionsparteien infrage. Das Berechtigungsmanagement wurde in der Debatte stark kritisiert. Dass Versicherte im ersten Jahr der ePA nur die Wahl haben, allen oder keinem Behandler Einsicht in ihre Daten zu gewähren, stieß bei den Oppositionsparteien nicht auf Verständnis. Das Projekt werde unfertig in die Versorgung gebracht, lautete ein Vorwurf.

Die ePA benötige von Beginn an einen rechtssicheren Rahmen, sagte Christine Aschenberg-Dugnus für die FDP mit Blick auf die ersten zwölf Monate Laufzeit der ePA ohne echtes Berechtigungsmanagement. Ein weiterer Kritikpunkt der Liberalen ist der Ausschluss der privaten Unternehmer von der Nutzung der von den Versicherten für die Forschung gespendeten Daten.

Auch Laien müssten die ePA bedienen können. Das aber sei bei der Komplexität des Projekts eine "kaum zu realisierende Notwendigkeit", sagte Detlev Spangenberg von der AfD.

Als unausgereift bezeichnete Achim Kessler, gesundheitspolitischer Sprecher der Links-Fraktion die ePA. In der aktuellen Ausführung werde die Akzeptanz bei Patienten und Ärzten gefährdet.

Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen kritisierte die mangelnde Beteiligung von Patienten- und Selbsthilfeorganisationen an der Ausgestaltung der ePA. Die Zivilgesellschaft sei auf allen Ebenen der Entwicklung unterrepräsentiert.

AOK-Chef sieht Logikbruch

Auf Unverständnis stößt die Tatsache, dass es mit dem PDSG zusätzlich zur ePA eine App für das E-Rezept geben soll. Der Vorstandsvorsitzende der AOK-Baden-Württemberg Johannes Bauernfeind bezeichnete dies als Logikbruch: "Es wäre besser gewesen, diese Funktion gleich in die ePA zu integrieren, die von den Krankenkassen ohnehin entwickelt wird", sagte Bauernfeind gegenüber Springer Medizin.

Kopfschütteln bei der Industrie

Dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als Körperschaft des Öffentlichen Rechts künftig Softwarelösungen im Wettbewerb selbst entwickeln können soll, stößt in der Industrie auf Kritik. Dies vor allem deshalb, weil die KBV gleichzeitig die Produkte der Industrie zu zertifizieren habe, zu denen sie mit eigenen Entwicklungen im Wettbewerb stehe.

Als bewusste Entscheidung gegen den Wettbewerb bezeichnete der Bundesvervand Gesundheits-IT (bvitg) die Regelung, dass nur gesetzliche und private Krankenversicherer eine von der gematik zertifizierte Patientenakte anbieten dürften.