Eine generalisierte Gelenkhypermobilität sei gerade bei jungen Menschen gar nicht selten: Etwa ein Viertel der Mädchen und 10–15 % der Jungen im Schulalter seien betroffen, und in Studien mit Erwachsenen lasse sich eine außergewöhnliche Dreh- und Streckbarkeit von Gelenkverbindungen noch bei 4–13 % der Erwachsenen nachweisen, berichten Dr. Hayley Sacks und Mitarbeiter vom Hospital for Special Surgery in New York in einem Review. Ähnlich wie bei den seltenen Marfan- oder Ehlers-Danlos-Syndromen würden Veränderungen in Genen für Kollagen oder solchen für Kollagen-verarbeitende Enzyme vermutet, allerdings manifestierren sich die Symptome bei primärer Gelenkhypermobilität im Gegensatz zu den seltenen Erbkrankheiten weitgehend muskuloskelettal, etwa über Arthralgien, Lumbalgien, häufige Gelenkluxationen sowie weichteilrheumatische Beschwerden. Viele Betroffene seien jedoch asymptomatisch, hier stehe das Risiko für muskuloskelettale Verletzungen im Vordergrund, berichten die orthopädischen Chirurgen.

Um bei solchen Patienten präventiv tätig zu werden und bei symptomatischen Betroffenen den Therapieerfolg abzuschätzen, sei es sehr wichtig, Patienten mit primärer Gelenkhypermobilität sorgfältig zu identifizieren. Die Ärzte um Sacks verweisen dazu auf die etablierten Beighton- und Horan-Kriterien: Ist eine passive Dorsalflexion des kleinen Fingers um 90 Grad möglich? Lässt sich der Daumen an die Volarseite des Unterarms anlegen? Ist eine Überstreckung des Ellenbogens um mehr als 10 Grad möglich? Lässt sich das Knie um mehr als 10 Grad überstrecken? Können die Patienten bei gestreckten Knien mit beiden Handflächen den Boden berühren?

Die ersten vier Fragen werden für jede Körperseite einzeln beantwortet, jede Ja-Antwort ergibt einen Punkt, insgesamt sind also maximal neun Punkte möglich (4′ 2 + 1). Ab vier Punkten wird bei Erwachsenen, ab fünf Punkten bei Kindern- und Jugendlichen von einer Gelenkhypermobilität ausgegangen.

Zu den häufigsten Manifestationen zählen im Bereich des Oberkörpers eine multidirektionale Schulterinstabilität, charakterisiert durch eine Subluxation oder Dislokation des Schultergelenks in mindestens zwei Ebenen. Rund 40–70 % der Patienten mit Gelenkhypermobilität sind davon betroffen, zeigen Studien.

Offenbar haben Patienten mit multidirektionaler Schulterinstabilität und Gelenkhypermobilität aber häufiger Schulterschmerzen und Schulterverletzungen als schulterinstabile Patienten ohne Gelenkhypermobilität. Von einer Operation scheinen sie dagegen ähnlich gut zu profitieren; das legen zumindest einige kleinere Studien nahe. Typische MRT-Befunde sind eine verstärkte Signalintensität und eine Verdickung der Schultergelenkbänder. Die Gelenkkapsel weise häufig ein erhöhtes Volumen auf.

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Weniger deutlich seien Ellbogenbefunde bei Gelenkhypermobilität: Hier werde gelegentlich eine erhöhte Prävalenz einer posterolateral-rotatorischen Instabilität diskutiert, so die Autoren.

Im Bereich der Hüfte manifestiere sich die Gelenkhypermobilität etwa über ein femoroacetabuläres Impingement oder eine Hüftdysplasie. Die Mobilität capsuloligamentöser Strukturen und des Femurkopfs seien oft erhöht, was mit der Zeit zu Schäden an Knorpel- und Kapselstrukturen führe. In Studien hätten Ärzte bei rund einem Drittel der Patienten mit femoroacetabulärem Impingement eine Gelenkhypermobilität nachweisen können. Probleme seien häufig auch an Hand-, Knie- und Fußgelenken zu beobachten.

Fazit: Die Autoren empfehlen, Patienten mit primärer Gelenkhypermobilität sorgfältig zu identifizieren. Wichtig sei, gezielt nach weiteren Symptomen oder Verletzungen in der Vergangenheit an anderen Gelenken zu fragen, Gelenke mitunter per MRT zu untersuchen und die Patienten bei Bedarf einer gelenkstabilisierenden Behandlung zu unterziehen. In der Regel würden Patienten mit einer Gelenkhypermobilität wegen Beschwerden mit einem einzelnen Gelenk vorstellig, daher sei es wichtig, auch die Mobilität des gesunden Gelenks zu überprüfen und anhand des Beighton- und Horan-Scores nach Zeichen einer Hypermobilität zu schauen. Die Erfolgsaussichten einer operativen Behandlung könnten bisweilen jedoch geringer sein als bei Patienten ohne Hypermobilität, entsprechend sollten Ärzte auf die Erwartungshaltung der Betroffen einwirken.