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„In den sogenannten Implant Files haben investigative Journalisten ungeniert Pauschalurteile unters Volk gestreut.“

Dr. med. Michael Pieper (Chefredakteur)

Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie, Rheumatologie

Kurz vor Weihnachten mischte der investigative Journalismus die Medizinprodukteszene auf. Die in den „Implant files“ veröffentlichte internationale Recherche stellt fest: „Jedes Jahr werden weltweit tausenden Patienten fehlerhafte Geräte eingesetzt. Ärzte und Politiker lassen die Patienten im Stich. Jährlich kommen allein in Deutschland wohl zehntausend Menschen durch fehlerhafte Medizinprodukte zu Schaden“.

Als Ursache angeprangert werden gravierende Mängel bei der Zertifizierung, teils auch bei der Herstellung der Medizinprodukte. „Auch Ärzte trifft eine Mitschuld“, heißt es in den „Impant Files“, und weiter: „Etliche haben es sich bequem gemacht und nur Prothesen eingebaut, die sie gewohnt waren oder von deren Herstellern sie begünstigt wurden“. Unterstellungen, die in den Bereich der Fabel gehören. Die Ärzte haben bereits vor geraumer Zeit qualitätsfördernde Maßnahmen wie das Endoprothesenregister ins Leben gerufen. Dokumentiert werden die bei mehr als einer Million Hüft- und Knieoperationen verwendeten endoprothetischen Implantate und deren Hersteller. Begünstigt werden Klinikketten und Einkaufsverbände, die — getrieben von sinkenden DRGs — von den Herstellern massive Preisabschläge erzwingen. Damit sind Endoprothesen hierzulande um ein Wesentliches preiswerter als zum Beispiel in den USA. Auswirkungen auf die Qualität sind nur eine Frage der Zeit. Zudem diktieren Klinikbetreiber den Operateuren den Endoprothesentyp, der unter Kostengesichtspunkten erworben wurde.

Irreführende Pauschalurteile der Recherche schaden nur und nutzen niemandem. Die Rückrufaktionen der Hüftkappenendoprothesen von DePuy und Zimmer werden pauschalierend der Metall-Metall-Gleitpaarung angelastet. Dass die Konstruktion dieser Implantate zum Versagen und zu vermehrtem Metallabrieb geführt hat und nicht die Gleitpaarung, die es seit Jahrzehnten gibt, wird nicht erwähnt. Die Vor- und Nachteile dieser Gleitpaarung wurden oft diskutiert und in Konsensusvereinbarungen publiziert. Die im Blutbild vermehrt auftretenden Metallionen konnten bisher keiner konkreten Organerkrankung zugeordnet werden. Mit pauschalierenden Urteilen geraten alle Operateure, die diese Gleitpaarung verwendet haben, unter den Generalverdacht der Sorgfalts- und Aufklärungspflichtverletzung. Eine Steilvorlage für Patientenklagen vor Gericht.

Wenig substanziell kritisiert die Recherche: „In der Medizin werden die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ignoriert, zum Schaden der Frauen. In Studien werden Prothesen und Implantate oft von Männern mit Männern für Männer entwickelt. Das ist der wichtigste Grund dafür, dass Frauen besonders unter Medizinprodukten leiden.“ Wenn da mal nicht einer Suffragette die Gäule durchgegangen sind. Abgesehen davon, dass es Genderimplantate gibt, deren Nutzen jedoch fraglich ist. Leider wird schnell vergessen, dass bei endoprothetischen Eingriffen ein Fremdkörper in den Menschen implantiert wird. Kritisch gesehen, bedeutet dies eine eine lebenslange Erkrankung.

Die „Implant files“ haben jedenfalls unseren designierten Bundesgesundheitsminister mit Kanzlerambitionen und Hang zur Staatsmedizin auf den Plan gerufen. Der will nun ein „zentrales gesetzliches Implantateregister einführen, um die Qualität der Patientenversorgung flächendeckend zu stärken“.

Man darf „gespahnt“ sein.

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