Zusammenfassung
Spätestens in der gymnasialen Oberstufe bietet auch das Fach Sport Lerngelegenheiten, in denen sich Schülerinnen und Schüler nicht nur auf motorisch, sondern auch auf kognitiv aktive Weise mit Problemen und Aufgaben der spielerischen und sportlichen Bewegungspraxis auseinandersetzen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob und unter welchen Bedingungen ein Theorie und Praxis verknüpfender Sportunterricht zum verständnisvollen Lernen und damit zum Aufbau intelligenten Wissens beitragen kann. Zunächst werden die bislang wenig beachteten kognitiven Lernpotenziale des Oberstufensports herausgearbeitet und Hypothesen über ihr Auftreten aufgestellt. Die Befunde der daran anschließenden empirischen Untersuchung zeigen, dass Schülerinnen und Schüler auch im Oberstufensport Lernaktivitäten vollziehen, die das Verstehen von sportunterrichtlichen Lerninhalten erleichtern. Sie tun dies allerdings nur unter der Bedingung, dass ihre Lernmotivation auf Selbstbestimmung und Interesse basiert. Es zeigen sich Hinweise dafür, dass diese einzig lernwirksame Motivationsform insbesondere von der akademischen Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler im Fach Sport beeinflusst wird.
Abstract
At latest in the upper school, physical education (PE) offers opportunities to deal with games and sport not only in a motor but also in a cognitive manner. The present paper asks if and under what conditions an instructional design integrating theory and practice in PE promotes meaningful learning and knowledge construction. It brings out the less considered cognitive learning potential of upper school PE and advances hypotheses about their occurrence. The results of the empirical study show that pupils in upper school PE already use learning activities that promote meaningful learning. It also shows that meaningful learning activities are restricted to a self-regulated and intrinsic learning motivation. Intrinsic learning motivation itself is highly dependent on the pupils’ academic self-concept in PE.
Notes
Erste konzeptionelle und empirische Arbeiten zum Theorie und Praxis verknüpfenden Sportunterricht gehen auf Andreas Trebels und Mitarbeiter zurück (vgl. Hagen, Siekmann & Trebels, 1992; Trebels, 1995; 1999). Sie wurden im Rahmen des nordrhein-westfälischen Schulversuchs „Sport als 4. Fach der Abiturprüfung“ aufgenommen und weiter spezifiziert (vgl. Dreiling & Schweihofen, 2004; Gogoll, 2008; Schulz, 2007).
Handlungsmäßige Repräsentation meint dabei sowohl die Herausbildung und zunehmende Automatisierung von motorischen Programmen als auch den Aufbau bedeutungsbezogenen Sachwissens durch den handelnden Umgang mit den Sachverhalten (vgl. Edelmann, 1996).
Da der simultane Einbezug aller herangezogenen Indikatoren das kritische Verhältnis zwischen Anzahl der Versuchspersonen zur Anzahl an Faktoren und Indikatoren im Modell von 5:1 überschreiten würde, wurden die latenten Faktoren einer Empfehlung von Schiefele und Kollegen (2003) folgend nur noch durch jeweils zwei Indikatoren geschätzt, die sich durch die Teilung der jeweiligen Skalen ergeben.
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Interessenkonflikt
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Gogoll, A. Verständnisvolles Lernen im Schulfach Sport. Sportwiss 40, 31–38 (2010). https://doi.org/10.1007/s12662-010-0104-5
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Schlüsselwörter
- Verständnisvolles Lernen
- Lernstrategien
- Lernmotivation
- Sport in der gymnasialen Oberstufe
- Theorie und Praxis verknüpfender Sportunterricht