Im Bauhauptgewerbe wurde 1997 als erster Branche in Deutschland ein Mindestlohn eingeführt. Als Hauptgrund für die Einführung des Mindestlohns im Bauhauptgewerbe werden protektionistische Maßnahmen gegen die Zunahme der Entsendungen von Arbeitnehmern aus dem Ausland nach Deutschland angeführt. Die Verabschiedung des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (AEntG) im Jahr 1996 ermöglicht eine Geltendmachung der für allgemeinverbindlich erklärten Mindestarbeitsbedingungen und damit der Mindestlöhne auch für aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer.
Zentralen Bestandteil dieses Artikels bilden die kausalanalytischen Untersuchungen der Mindestlohnwirkungen auf Löhne und Beschäftigung im Bauhauptgewerbe. Darüber hinaus wurden weiterführende Aspekte wie die Auswirkungen auf den Arbeitnehmerschutz und die Wettbewerbssituation betroffener Betriebe untersucht. Um tatsächliche Effekte der Mindestlohnregelung von weiteren Einflüssen, wie z.B. dem Konjunkturverlauf, abzugrenzen, wurde auf den Differenz-von-Differenzen Ansatz zurückgegriffen.
Qualitative Befunde deuten darauf hin, dass dem Mindestlohn in den neuen Bundesländern eine größere Bedeutung zukommt. Aussagen aus den Expertengesprächen unterstreichen, dass der Mindestlohn in den neuen Bundesländern als Fixpunkt fungiert, an dem sich die Tarifpartner orientieren, während er in den alten Bundesländern keinen Einfluss auf das Tarifsystem hat.
Die anschließenden Lohnanalysen zeigen, dass die Betroffenheit vom Mindestlohn in den neuen Bundesländern zum Zeitpunkt seiner Einführung deutlich höher war als in den alten Bundesländern. In den Jahren nach der Mindestlohneinführung verdichten sich die Stundenlöhne ostdeutscher Bauarbeiter an den jeweiligen Mindestlohnniveaus, während sich die Lohnspreizung in Westdeutschland kaum verändert. Die Kausalanalysen weisen auf positive Lohnwachstumseffekte der Mindestlohneinführung sowohl in West- als auch in Ostdeutschland hin, welche sich sowohl auf individueller als auch auf betrieblicher Ebene zeigen.
Die Einführung des Mindestlohns lässt in der Kausalanalyse keine messbaren Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau erkennen. Auf die Entlassungs- und Einstellungswahrscheinlichkeiten wirkt sich der Mindestlohn kaum aus, mit Ausnahme eines negativen Effekts der Mindestlohneinführung auf die Einstellungswahrscheinlichkeit in Ostdeutschland zeigen sich hier keine Effekte. Die Arbeitgeber im Bauhauptgewerbe weisen im Vergleich zu anderen Branchen eine relativ hohe Marktmacht auf, so dass Beschäftigungsverluste auch nicht zwangsläufig zu erwarten waren. Die vermuteten indirekten Wirkungen des Mindestlohns auf Weiterbildungen, befristete Beschäftigung oder gemeldeten Überstunden können ebenfalls nicht nachgewiesen werden.
Letztendlich ist einschränkend anzumerken, dass bestimmte Wirkungsweisen des Mindestlohns auf Aspekte wie Entsendungen, Schwarzarbeit, Arbeitszufriedenheit und Preisentwicklung nicht kausalanalytisch untersucht werden können. Insbesondere in Hinblick auf mögliche Beschäftigungseffekte auf Entsendearbeitnehmer können keine abschließenden Aussagen getroffen werden. Des Weiteren beschränkt sich die Analyse aufgrund methodischer Überlegungen auf die kurzfristigen Auswirkungen der Mindestlohneinführung.
Abschließend sollte beachtet werden, dass sich das Bauhauptgewerbe aufgrund einzigartiger Produktionsbedingungen deutlich von anderen Branchen unterscheidet, was sich in spezifischen tariflichen Rahmenbedingungen und einer bauspezifischen Arbeitsmarktpolitik widerspiegelt. Daher wird die Übertragbarkeit der Ergebnisse für das Bauhauptgewerbe auf andere Wirtschaftszweige in Deutschland auch in Bezug auf die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns als relativ gering eingeschätzt.
Kurzfassung Im Bauhauptgewerbe wurde zum 01. Januar 1997 als erster Branche in Deutschland ein Mindestlohn eingeführt. Der vorliegende Artikel fasst die Ergebnisse dieser Einführung im Rahmen der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in Auftrag gegebenen Studie zur „Evaluation bestehender gesetzlicher Mindestlohnregelungen – Branche: Bauhauptgewerbe“ zusammen.
Als Hauptgrund für die Einführung des Mindestlohns im Bauhauptgewerbe gelten protektionistische Maßnahmen gegen die Zunahme an Entsendungen von bei ausländischen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern nach Deutschland. Das „Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen“ (AEntG) wurde 1996 verabschiedet und ist seit dem 01. Januar 1997 in Kraft. Seitdem gelten im Bauhauptgewerbe für allgemeinverbindlich erklärte Mindestarbeitsbedingungen, und damit auch der Mindestlohn, sowohl für Beschäftigte deutscher Unternehmen, als auch für Arbeitnehmer, die aus dem Ausland nach Deutschland entsandt wurden.
Das Hauptaugenmerk der im Artikel vorgestellten Analysen liegt auf den kausalanalytischen Untersuchungen der Mindestlohnwirkungen auf Löhne und Beschäftigung im Bauhauptgewerbe. Zusätzlich wird auf weitere Aspekte, wie z.B. den Arbeitnehmerschutz und die Wettbewerbssituation betroffener Betriebe, eingegangen. Die Analysen wurden auf verschiedenen Beobachtungsebenen durchgeführt, um ein möglichst umfassendes Bild zu zeichnen. So erfolgte die Untersuchung auf individueller, sektoraler und regionaler Ebene. Um mögliche Wirkungen der Mindestlohneinführung von weiteren Einflüssen, wie beispielsweise dem Konjunkturverlauf, abgrenzen zu können, wurde auf den Differenz-von-Differenzen Ansatz zurückgegriffen, der auf einem Vergleich zwischen einer Treatment- und einer Kontrollgruppe beruht. Bezüglich der Treatment- und Kontrollgruppeneinteilung wurden zwei alternative Strategien verfolgt. Zum einen wurden direkt vom Mindestlohn betroffene Beschäftigte bzw. Betriebe mit nicht betroffenen Beschäftigten bzw. Betrieben innerhalb des Bauhauptgewerbes verglichen. Zum anderen erfolgte der Vergleich zwischen Beschäftigten bzw. Betrieben im Bauhauptgewerbe und Beschäftigten bzw. Betrieben in ausgewählten Kontrollbranchen.
Als Datenbasis diente ein eigens für das Projekt erstellter Datensatz, welcher das gesamte Bauhauptgewerbe umfasst. Hierfür wurden administrative Daten der Bundesagentur für Arbeit und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie das IAB-Betriebspanel und Informationen aus dem Mikrozensus zusammengeführt. Zusätzlich wurden zu Jahresbeginn 2011 über 1 500 Beschäftigte des Bauhauptgewerbes telefonisch u.a. zum Mindestlohn, zu ihren Arbeitsbedingungen sowie zu Aspekten der Schwarzarbeit interviewt. Diese Befragungsdaten wurden ebenfalls hinzu gespielt und ausgewertet. Für deskriptive Analysen konnte darüber hinaus auf Daten aus dem Meldeverfahren der SOKA-BAU sowie der statistischen Datenbank des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie zurückgegriffen werden.
Um spezifische Hintergrundinformationen aus unterschiedlichen Perspektiven über die Besonderheiten der Baubranche, v.a. in Bezug auf die Mindestlohnregelungen und Bewertungen der Akteure, zu erhalten, wurden neben den quantitativen Analysen Expertengespräche mit den Hauptakteuren im Bauhauptgewerbe geführt.
Die quantitativen Lohnanalysen zeigen, dass die Betroffenheit vom Mindestlohn in den neuen Bundesländern zum Zeitpunkt seiner Einführung deutlich höher war als in den alten Bundesländern. In den Jahren nach der Mindestlohneinführung verdichten sich die Stundenlöhne ostdeutscher Bauarbeiter an den jeweiligen Mindestlohnniveaus, während sich die Lohnspreizung in Westdeutschland kaum verändert. Die Kausalanalysen weisen auf positive Lohnwachstumseffekte der Mindestlohneinführung sowohl in West- als auch in Ostdeutschland hin, welche sich sowohl auf individueller als auch auf betrieblicher Ebene zeigen.
Die qualitativen Befunde bestätigen das Ergebnis, dass dem Mindestlohn im ostdeutschen Bauhauptgewerbe eine deutlich größere Bedeutung zukommt als in den alten Bundesländern. Aussagen aus den Expertengesprächen unterstreichen zudem, dass der Mindestlohn in den neuen Bundesländern als Fixpunkt fungiert, an dem sich die Tarifpartner orientieren, während er in den alten Bundesländern relativ wenig Einfluss auf das Tarifsystem hat.
Die Einführung des Mindestlohns lässt in der Kausalanalyse keine messbaren Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau erkennen. Auf die Entlassungs- und Einstellungswahrscheinlichkeiten wirkt sich der Mindestlohn kaum aus, mit Ausnahme eines negativen Effekts der Mindestlohneinführung auf die Einstellungswahrscheinlichkeit in Ostdeutschland zeigen sich hier keine weiteren Effekte. Die Arbeitgeber im Bauhauptgewerbe weisen im Vergleich zu anderen Branchen eine relativ hohe Marktmacht auf, so dass Beschäftigungsverluste auch nicht zwangsläufig zu erwarten sind. Mögliche indirekte Wirkungen des Mindestlohns auf Weiterbildungen, befristete Beschäftigung oder gemeldete Überstunden können ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Auch hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit zeigen sich keine kausalen Effekte der Mindestlohneinführung. Auswertungen der Beschäftigtenbefragung sowie der Expertengespräche zeigen, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Mindestlohnregelungen für sehr wichtig halten. Verbesserungspotenzial biete sich allerdings hinsichtlich der Kontrolle der Mindestlohneinhaltung. Als problematisch wird teilweise auch die fehlende Lohnspreizung in Ostdeutschland eingeschätzt.
Einschränkend anzumerken ist, dass bestimmte Wirkungsweisen des Mindestlohns auf Aspekte wie Entsendungen, Schwarzarbeit, Arbeitszufriedenheit und Preisentwicklung nicht kausalanalytisch untersucht werden können. Insbesondere in Hinblick auf mögliche Beschäftigungseffekte auf entsandte Arbeitnehmer können keine abschließenden Aussagen getroffen werden. Des Weiteren beschränkt sich die Analyse aufgrund methodischer Überlegungen auf die kurzfristigen Auswirkungen der Mindestlohneinführung.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass sich das Bauhauptgewerbe aufgrund der Produktionsbedingungen deutlich von anderen Branchen unterscheidet, was sich in spezifischen tariflichen Rahmenbedingungen und einer bauspezifischen Arbeitsmarktpolitik widerspiegelt. Eine mögliche Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Wirtschaftszweige und auch in Bezug auf die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns wird als eher gering eingeschätzt.
Executive summary The first sectoral minimum wage in Germany was introduced in the main construction sector on January 1st, 1997. This article summarizes the results of this introduction which was analyzed in detail within the scope of the study “Evaluation bestehender gesetzlicher Mindestlohnregelungen – Branche: Bauhauptgewerbe” commissioned by the German Federal Ministry of Labour and Social Affairs (BMAS). One of the main reasons for the introduction of a minimum wage in the construction sector was to protect workers against foreign competition by posting foreign workers to Germany. By passing the Posting of Workers Law in 1996, compulsory working conditions (and thus minimum wages) apply for German employees as well as for posted workers. The main focus of the article is on the analyses of the minimum wage impacts on wages and employment in the main construction sector. Additional aspects comprise worker protection and competition. The analyses are conducted on different observational levels (individual, sectoral and regional) in order to obtain a comprehensive picture. We use a difference-in-differences approach classifying observations into treatment and control groups in order to isolate possible impacts of the minimum wage introduction from other influences like the business cycle. We follow two alternative strategies to assign the treatment and control group. First, directly affected individuals or establishments are compared to those not directly affected within the main construction sector. Second, we conduct a comparison between individuals or establishments in the main construction sector and selected control industries.
We use a data set for the main construction sector specially assembled for this project. For this purpose, we merge administrative data of the German Federal Employment Agency (BA) and the Institute for Employment Research (IAB) as well as the IAB Establishment Panel and information from the German Micro Census. Over 1500 employees of the main construction sector were interviewed by phone at the beginning of 2011 regarding the minimum wage, their working conditions and issues related to illegal employment. This survey is also analyzed. Moreover, we draw on data of the notification procedure of the social security fund for construction (SOKA-BAU) as well as the statistical data base of the construction industry association (Hauptverband der Deutschen Bauindustrie). In addition to quantitative analyses, information from expert discussions with main actors in the construction sector are used to obtain specific background information from different perspectives on characteristics of the construction industry, especially with regard to the minimum wage regulations. Qualitative findings point to the fact that the minimum wage has a significantly higher importance in the East German main construction sector compared to West Germany.
The wage analysis shows that the degree of being affected by the minimum wage was significantly higher in East Germany at the time of the introduction as compared to West Germany. The hourly wages of East German workers concentrate at the corresponding minimum wage level in the years after the minimum wage introduction. The wage dispersion in West Germany hardly changes.
The causal analyses point to positive wage growth effects of the minimum wage introduction in East as well as in West Germany. They are visible at the individual and the establishment level. The results from the qualitative analysis confirm the finding from the quantitative analysis that the minimum wage plays a much more important role in East Germany than in West Germany. In particular, statements from the expert talks emphasize that the minimum wage serves as orientation point for the social partners in East Germany. In West Germany, the influence of the minimum wage on the collective bargaining system is relatively low.
The minimum wage introduction does not reveal measurable impacts on the level of employment. The minimum wage barely influenced hiring and separation probabilities except for a negative effect on the hiring probability in East Germany.
Employment losses may not necessarily be expected as employers in the main construction sector have relatively high market power compared to other sectors. Additionally, we cannot detect indirect impacts of the minimum wage on training, temporary employment and reported overtime. Neither did the analyses reveal causal effects of the minimum wage introduction on competitiveness. Results from the employee survey as well as the expert discussions highlight that employers as well as employees consider the minimum wage regulations as important. Room for improvement concerns supervision of compliance. They also partly assess the lack of wage dispersion in East Germany as a problem.
Certain impacts of the minimum wage could not be analyzed in a causal way like posting workers, illegal employment, job satisfaction, and development of prices. We cannot make conclusive statements about possible employment effects for posted workers from other countries. Furthermore, the analysis is restricted to short-term effects due to methodological considerations.
Finally, it should be noted that the main construction sector differs from other sectors due to special conditions of production. This is reflected by specific collectively agreed conditions and a construction specific labor market policy. Transferring the results to other sectors or using them in the context of an introduction of a generally binding minimum wage thus seems inadvisable.