„Die Klimakrise ist ein medizinscher Notfall, der sofortiges Handeln erfordert. Wir als Ärztinnen und Ärzte nehmen hierbei eine Schlüsselrolle ein“, berichtete Prof. Claudia Traidl-Hoffmann, Augsburg. Laut eines aktuellen Reports des Intergovernmental Panel on Climate Change der UN schließt sich das Zeitfenster, in dem man für eine klimaresiliente Zukunft aktiv werden könne. „Fakt ist, dass die Erde immer wärmer wird, und das führt zu massiven Beeinträchtigungen für unsere Gesundheit“, so die Expertin.

Gefahr in der Luft durch Schadstoffe und Pollen

Beispielsweise Umweltverschmutzungen, insbesondere Luftschadstoffe, spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der atopischen Dermatitis (AD) und von Allergien: In der Nähe von stark befahrenen Straßen ist die Prävalenz der AD bei Kindern mit sechs Jahren signifikant erhöht [Krämer U et al. J Dermatol Sci 2009;56:99-105]. Darüber hinaus erhöhen Luftschadstoffe die Stärke der Symptome bei AD [Fadadu RP et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2023;37:1958-70]. „Schadstoffe wirken auf die Barriere der Haut und Schleimhäute und bahnen damit den Weg für Sensibilisierungen“, erläuterte Traidl-Hoffmann.

Zudem besteht durch den Klimawandel ein Effekt auf allergene Pflanzen und Pollen. Letztere fliegen laut der Dermatologin vermehrt und auch über längere Zeiträume. Hinzu kommen neue und auch aggressivere Pollen. „Die Schadstoffe erhöhen die Pollenkonzentration und den Allergengehalt. Wir sehen also eine Veränderung der Pollenqualität“, sagte Traidl-Hoffmann. Nicht zu vergessen sei der Umstand, dass Pollen auch die mukosale Immunität beeinträchtigen können, und das nicht nur bei Personen mit Allergien. Damit wird die körpereigene Abwehr von Rhinoviren erschwert.

Gesundheitssektor als zentrale Schnittstelle für Nachhaltigkeit

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der durch den Klimawandel bedingte Biodiversitätsverlust. Dieser gefährdet Phytotherapiekonzepte und die Neuentwicklung von Medikamenten [Traidl-Hoffmann C. Allergy 2024; https://doi.org/mk8c]. So sind beispielsweise im Bereich der Krebstherapie von den 175 zugelassenen „small molecules“ 75 % nicht synthetisch und 49 % entweder Naturprodukte oder direkt davon abgeleitet [Newman DJ et al. J Nat Prod 2016;79:629-61].

Auch vektorvermittelte Erkrankungen werden weiter zunehmen: „Hier müssen wir als Dermatologinnen und Dermatologen wissen, wie eine Leishmaniose aussieht, denn das werden wir in Zukunft häufiger zu Gesicht bekommen“, warnte die Umweltmedizinerin.

Was kann man nun tun? Wichtig sei, die Klimakrise als medizinischen Notfall anzuerkennen, meinte Traidl-Hoffmann. Darüber hinaus gelte es, Synergieeffekte für Gesundheit, Klima und Wirtschaft zu nutzen. Der Gesundheitssektor sei eine zentrale Schnittstelle für Nachhaltigkeit, der auch den Schutz der Biodiversität anstoßen könne. „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz! Bringen Sie das Thema ‚Klimawandel und Gesundheit' in ihre Patientengespräche mit ein“, forderte Traidl-Hoffmann auf.

PS06 Traidl-Hoffmann C. Folgen des Klimawandels auf Hauterkrankungen. Dermatologie Kompakt + Praxisnah 2024, Wiesbaden, 1. März 2024