„Bei den Lippen stehen sich zwei Patientengruppen gegenüber“, erläuterte Prof. Gerd Gauglitz, München. Einen rekonstruktiven Ansatz, der sich auf Volumen und Form der Lippe selbst konzentriert, wähle man bei jüngeren Personen; diese Klientel habe häufig gezielte Vorstellungen, die unter anderem durch Social Media beeinflusst werden, und sei in vielen Fälle bereits vorbehandelt. Ältere Patientinnen und Patienten profitierten dagegen von einer ganzheitlichen und multimodalen Behandlung des gesamten unteren Gesichtsdrittels.

Erwartungen managen, Proportionen beachten

Im Rahmen des ersten Termins sei es essenziell, anhand des Ist-Zustands zu besprechen, welche Behandlungsergebnisse man erwarten könne, erklärte Gauglitz. Dies gelte auch in Bezug auf die möglichen Nebenwirkungen. In den ersten Tagen nach der Injektion von Hyaluronsäure sind insbesondere Schwellungen und Asymmetrien häufig; sie können Volumen sowie Form der Lippen vorübergehend verfälschen. Darüber hinaus müssten Ärztinnen und Ärzte auch die Behandlungshistorie inklusive bestehender Knötchen dokumentieren, betonte der Experte. Auf quervernetzte Hylauronsäure und ungewöhnliche Produkte wie Silikon sei dabei besonders zu achten.

Bezüglich der Injektionstechnik gebe es laut Gauglitz „kein Richtig und Falsch“, je nach persönlichen Präferenzen, Anatomie und Behandlungswunsch könne man spitz und/oder stumpf injizieren. Für natürliche Ergebnisse empfiehlt der Dermatologe die senkrechte Technik, bei der pro Injektionspunkt 0,01 ml Hyaluronsäure vom Lippenrand aus submukosal und retrograd eingebracht werden. Da der Mundbereich durch die umgebende mimische Muskulatur ein „hochdynamisches Behandlungsareal“ sei, müsse man außerdem die Proportionen des Gesichts beachten, betonte Gauglitz. Dabei gelte noch immer, dass der Abstand von der Unterkante der Oberlippe zur Nasenspitze 33 % des unteren Gesichtsdrittels betragen sollte, der Abstand von der Oberkante der Unterlippe zum Kinn 66 %.

Balance zwischen mehreren Verfahren finden

Behandelt man ältere Frauen und Männer, müsse man in der Regel die Balance zwischen mehreren Verfahren finden, um ein natürliches Ergebnis zu erreichen, erklärte Gauglitz. Geringe Mengen von Botulinumtoxin eigneten sich zum Beispiel für die Behandlung des „gummy smile“, um das Lippenvolumen indirekt zu erhöhen. Auch die Lip-Flip-Technik, bei der 0,5 Einheiten Botulinumtoxin in den Musculus orbicularis oris am Rand der Oberlippe gespritzt werden, erfreue sich gerade großer Beliebtheit. In diesem Fall müsse man jedoch die geringere Haltbarkeit der Behandlung sowie eine eingeschränkte Aussprache von Vokalen berücksichtigen, gab Gauglitz zu bedenken.

Mit Hyaluronsäure behandele man im Alter statt der Lippe selbst eher die direkte Umgebung wie die Marionetten- oder Nasolabialfalten, so der Experte: „Ab und zu kann man mit relativ wenig Aufwand relativ viel erreichen.“ Weitere geeignete Verfahren zur Behandlung des Mundbereichs bei alternden Patientinnen und Patienten sind Kollagenstimulatoren, fraktionierte Laser und das Fadenlifting.

BS02 Gauglitz G. Lippen und Mundwinkel: Augmentation und Renovierung. Dermatologie Kompakt + Praxisnah 2024, Wiesbaden, 3. März 2024