Mitte Oktober 2019 hat mehr als ein Zehntel der in Niedersachsen niedergelassenen Ärzte Post von ihrer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) bekommen: Die 1.247 von insgesamt 11.054 Praxen im Land müssen für das erste Quartal dieses Jahres durchschnittlich 587,19 € Honorarkürzung hinnehmen, weil sie ihre Praxis nicht an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen haben. Die Kürzungssumme beläuft sich im fraglichen Quartal auf insgesamt 732.231,12 €, wie die KV Niedersachsen mitteilt.

Bis zum 30. Juni 2019 sollten alle Praxen an die TI angeschlossen sein, dann galt eine verlängerte Frist bis zum 31. September. Wer auch diese letzte Frist verpasst hat, muss nun mit einer Honorarkürzung von 1 % des Praxisumsatzes rechnen. Die Kürzung sei eine Aufgabe, der man sich „nur widerwillig“ unterziehe, so die KV Niedersachsen. Für das zweite Quartal sehe die Situation ebenfalls nicht rosig aus. Von 11.062 Praxen werden 1.009 sanktioniert, das sind 9 %. Die durchschnittliche Kürzungssumme je Praxis beträgt 475,68 €, die Gesamtsumme 479.962,07 €.

Viele Ärzte zeigen sich verärgert

Tatsächlich erreichen die Bezirksstellen der KVN zahlreiche Protestanrufe, wie Detlef Haffke, Sprecher der KV Niedersachsen, bestätigt: „Die Mitglieder sind sehr verärgert, weil der Staat sie zwingt, sich an die TI anzuschließen. Sie fordern uns auf, dagegen vorzugehen. Leider liegt dies nicht in unserer Macht.“ Etliche Ärzte hätten offenbar auch die Informationen ihrer KV nicht aufmerksam genug zur Kenntnis genommen.

Andere stünden kurz vor der Pensionierung „und wollen sich die TI nicht antun“, erklärt Haffke, „lieber nehmen sie die Kürzungen in Kauf.“ Anders bei den echten Gegnern der TI. Ihre Weigerung ist auch Protest. Doch die KV Niedersachsen weist darauf hin, dass das bald teurer werden kann. Denn ab 31. März 2020 beträgt die Kürzungssumme 2,5 % des Praxisumsatzes. „Das wird im Laufe der Zeit spürbar“, sagt Haffke. Der KV-Sprecher sieht die Gefahr, dass mit den erzwungenen TI-Anschlüssen viele Ärzte der Niederlassung den Rücken kehren. „Wir haben entsprechende Rückmeldungen.“

Ausnahmeregeln können greifen

Dabei bleiben laut SGB V (§ 291 Absatz 2b) noch eine ganze Reihe Praxen von der Sanktionierung ausgeschlossen, wenn sie bisher keinen TI-Anschluss haben. Zum Beispiel solche, die bis 31. März 2019 die Komponenten bestellt und dies ihrer KV in einer „Eigenerklärung“ angezeigt hatten. Ihnen drohen im ersten und zweiten Quartal 2019 noch keine Kürzungen. Ebenfalls ausgeschlossen, und zwar für alle Quartale 2019: die ermächtigten Kollegen, die in Kliniken arbeiten. Erst ab 2020 werden sie behandelt wie die niedergelassenen Kollegen ihrer Fachgruppe. Auch die Notfallambulanzen sind bis zum ersten Quartal 2020 befreit.

„Darüber hinaus sind ‚Mitglieder ohne Arzt-Patienten-Kontakt‘ ausgenommen“, so die KVN. „Diese Gruppe haben wir über die Abrechnung eruiert und von den Kürzungen ausgenommen (z. B. Pathologen). Ohne Versichertenkarte ist auch kein Stammdatenabgleich mit der Krankenkasse möglich.“ Schließlich kommen auch die Anästhesisten ohne Kürzungen davon, aber nur, „wenn sie keine Grund- und Versichertenpauschalen in eigener Praxis abrechnen“.

Wohin das Geld aus den Kürzungen fließt, sei noch unklar, erklärt Haffke. Das werde auf Bundesebene entschieden.

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Ärzte müssen in Zukunft mit Honorarkürzungen rechnen, wenn sie ihre Praxis nicht an die Telematikinfrastruktur anschließen.

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