Erfüllen Ärzte die Erwartungen ihrer Patienten und gewinnen ihr Vertrauen, so sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Patienten im Internet nach medizinischen Informationen suchen und am Ende möglicherweise fehlerhaften Aussagen glauben. Das klingt einfach, ist aber in der Praxis nicht so leicht umzusetzen.

Denn es ist sehr unterschiedlich, was die Patienten von ihrem Arzt erwarten und welche Rolle sie selbst bei der Informationsbeschaffung spielen wollen. „Es fordert die Ärzte in hohem Maße heraus, das in einem kurzen Gespräch zu erkennen“, erklärt Dr. Elena Link, Kommunikationswissenschaftlerin aus Hannover. Für ihre Dissertation zu diesem Zusammenhang wurde sie gerade ausgezeichnet.

Die Idee für das Grundthema ihrer Doktorarbeit kam Link in einem interdisziplinären Projekt, bei dem sie mit Ärzten der Medizinischen Hochschule Hannover zusammenarbeitete. Ein Orthopäde berichtete dabei aus seinem Arbeitsalltag und erklärte, früher sei allein sein Wort ausschlaggebend für die Patienten gewesen. Heute seien viele weitere Faktoren dazu gekommen, die für die Informationsbeschaffung und Entscheidungsfindung der Patienten wichtig sind.

Knackpunkt Erwartungshaltung

Link wollte deshalb mehr über das Vertrauensverhältnis zwischen Medizinern und Patienten herausfinden und verstehen, welche Rolle es für die Informationsbeschaffung im Internet spielt. „Es war sehr spannend zu sehen, wie vielfältig die Patienten und ihre Erwartungen an den Arzt sind und dass es so entscheidend ist, wie er darauf reagiert.“

Ihr beruhigendes Fazit: „Eine sehr positive Arzt-Patienten-Bindung senkt die Wahrscheinlichkeit, online nach Informationen und Rat zu suchen. Bei der Mehrheit genießt noch immer der Arzt das größte Vertrauen.“

Allerdings ist es für Mediziner nicht einfach, das Vertrauen der Patienten zu gewinnen. Der Arzt hat meist nur wenig Zeit, die Erwartungen seines Gegenübers zu erkennen und herauszufinden, welche Informationen der Patient genau an dieser Stelle braucht, erklärt Link. „Einige finden es gut, stärker involviert und in die Eigenverantwortung genommen zu werden. Andere sehen sich nicht in der Verantwortung oder sind damit überfordert.“

Mangelnde Gesundheitskompetenz

Mehr als die Hälfte der Deutschen sucht mittlerweile im Internet nach Informationen zu allen Aspekten rund um die Gesundheit. Gleichzeitig wächst das Online-Angebot zu dem Thema. Vielen Nutzern fehlt aber die Kompetenz zu erkennen, welche Seiten vertrauenswürdig sind. „Es hat sich gezeigt, dass Nutzer Zertifikate kaum wahrnehmen“, so Link.

Deshalb sei es zum einen wichtig, dass Ärzte in der Lage sind zu erkennen, wenn Patienten zusätzliche Informationen benötigen. Zum anderen sollten sie sich so auskennen, dass sie auf hilfreiche Angebote verweisen können, sagt die Autorin. „Die Ärzte müssen befähigt werden, solche Informationsempfehlungen zu geben.“ Damit müsse bereits im Medizinstudium angesetzt werden, findet sie.

Für ihre Dissertation führte Link eine repräsentative Umfrage unter Internetnutzern durch und führte Gespräch mit Arthrose-Patienten. Viele von ihnen wollten gerne mehr Verantwortung an den Arzt abgeben. Nicht zuletzt weil dieser Wunsch nicht erfüllt wurde, recherchierten sie zunehmend bei Dr. Google.

Das eindrucksvollste Beispiel für die Auswirkungen enttäuschter Erwartungen fand Link bei einem der befragten Arthrose-Patienten. Aufgrund früherer schlechter Erfahrungen suchte er nach der Erstdiagnose keinen Mediziner mehr auf, sondern organisierte seine Behandlung selbst über das Internet. Er recherchierte zu verschiedenen Behandlungsmethoden und suchte sich eine Klinik, die auf die von ihm favorisierte Operation spezialisiert ist. Solche Entwicklungen seien eine Herausforderung für das gesamte Gesundheitssystem.

Ihr eigenes Verhalten beim Arztbesuch habe sich durch die Beschäftigung mit dem Thema verändert, berichtet Link. Sie sei nicht mehr so unbefangen, beobachte ihr Gegenüber genauer, etwa ob der Arzt den Blickkontakt sucht oder sich schnell dem Computer zuwendet. „Es fühlt sich an, als ob ich immer eine Checkliste im Hinterkopf habe.“

Link hat für ihre Dissertation den zweiten Preis der Sektion Geistes- und Kulturwissenschaften beim Deutschen Studienpreis 2019 der Körber-Stiftung erhalten. Sie zeichnet die wichtigsten Dissertationen eines Jahres aus. Link arbeitet aktuell am Hanover Center for Health Communication des Instituts für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Ihre Arbeit mit dem Titel „Vertrauen und die Suche nach Gesundheitsinformationen: Eine empirische Untersuchung des Informationshandelns von Gesunden und Kranken“ ist als Buch bei Springer Fachmedien erschienen.

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Den Patienten an die Hand nehmen — das gilt für Ärzte auch im Hinblick auf das Management der Krankheitsinformationen.Den Patienten an die Hand nehmen — das gilt für Ärzte auch im Hinblick auf das Management der Krankheitsinformationen.

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