Arbeitszeitverdichtung bei fortwährend hoher Konzentration: Ärzte gehören zu den Berufsgruppen, die besonders gefährdet sind, dass ihre Work-Life-Balance aus dem Gleichgewicht gerät. Eine Möglichkeit, einer solchen Entwicklung vorzubeugen oder gegenzusteuern, ist Yoga. In welchem Maße Herz, Wirbelsäule und Psyche von regelmäßigen Übungen profitieren, erklärt Yogalehrerin Eva Kohlert.
Frau Kohlert, Sie haben vor zehn Jahren mit Yoga angefangen und sind inzwischen sogar als Lehrerin tätig. Was waren die Beweggründe dafür?
Eva Kohlert: Als Textil-Einkäuferin war ich zehn Jahre lang viel unterwegs und in einem Umfeld tätig, das stark von Termin- und Leistungsdruck geprägt war. Daher suchte ich nach einem Weg, bei mir anzukommen und fand ihn im Yoga. Mit meinem ersten Sohn im Bauch besuchte ich in Hamburg vor elf Jahren meine erste Yogastunde und spürte, wie die Kombination aus Bewegung und Atemführung mir ein Gefühl der Entspannung für Körper und Geist gaben. Nachdem ich 2015 meine erste Ausbildung absolviert hatte, gelang es mir, Achtsamkeit und Entspannung dauerhaft in meinen Alltag zu integrieren. So konnte ich mit Yoga meinen seit 2005 bestehenden Bluthochdruck, der seit 2012 mit Tabletten behandelt wurde, durch Yoga auf Normalniveau senken.
Was sind die gesundheitlichen Wirkungen von Yoga?
Eva Kohlert: Hierzu gab es in den letzten Jahren schon einige Veröffentlichungen, zum Beispiel im Deutschen Ärzteblatt. Zahlreiche Studien zeigen die positive Wirkung von Yoga auf den Organismus. Eine Studie der Harvard Medical School hat zum Beispiel gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig Yoga betreiben, in der Regel weniger kardiale Risikofaktoren haben. Bewegung in Kombination mit Atemtechnik und Meditation wirken aktiv gegen Stress, da während des Übens der Parasympathikus angeregt und eine Cortisol-Ausschüttung Cortisol gehemmt wird. Dies führt zu direkter Entspannung und Regeneration des Körpers. Außerdem wirkt Yoga präventiv, da Übende gelernte Atemtechniken in Belastungssituationen gut anwenden können.
Yoga trainiert zudem so gut wie alle Muskelpartien im Körper. Da Yogastunden nach einem bestimmten Muster aufgebaut sind, werden alle Teile des Körpers aktiviert. Bei Sportarten wie Joggen oder Tennis werden eher isolierte Bereiche des Körpers angesprochen, was zu Über- und Fehlbelastungen führen kann. Bei Yogaübungen werden Muskeln gedehnt und das Fasziengewebe von Verklebungen und einseitiger Belastung befreit. Dies macht den Körper beweglicher und kann Schmerzen beseitigen. Indem die Wirbelsäule in alle möglichen Richtungen bewegt wird kann der Übende aktiv gegen Verspannungen und Blockaden vorbeugen.
Inwiefern wirkt Yoga auch über diese somatischen Effekte hinaus?
Eva Kohlert: Stimmungs- und Stoffwechselstudien, die viele Jahre lang durchgeführt wurden, konnten zeigen, dass es mit Yoga sehr gut gelingt, die Höhen und Tiefen des Gefühlslebens auszugleichen, somit kann Yoga als ein hervorragender Stimmungsaufheller gesehen werden und helfen, Depressionen und Angstzustände zu überwinden. Die Tatsache, dass der Übende sich mit seinem Körper und seinen Bedürfnissen auseinandersetzt, wirkt sich längerfristig auch im Alltag aus. Erhöhte Achtsamkeit führt dazu, dass man seine Bedürfnisse deutlich klarer wahrnimmt, Pausen macht und einen liebevolleren Blick auf die Dinge entwickelt. Dadurch stellt sich eine positivere Lebenseinstellung ein.
Warum profitieren speziell Ärzte von Yoga?
Eva Kohlert: Eine Yogastunde kann wirken wie ein Restart-Button. Wenn man konzentriert und bewusst übt, wird man sich nach der Stunde wie nach einem Kurzurlaub fühlen, bei dem man bei sich selbst angekommen ist. Dies tut allen Berufsgruppen sehr gut. Da Ärzte unter besonderem Druck bei der Arbeit stehen, immer 100% konzentriert sein müssen, ist Yoga aus den oben erwähnten Gesichtspunkten ideal. Yoga ist immens hilfreich, um nach einem Arbeitstag die Erlebnisse nicht mit nach Hause zu nehmen, sondern Pausen und Feierabende bewusst zur Erholung zu nutzen. Ärzte sehen jeden Tag sehr viele Patienten. Hier hilft Yoga „im Moment“ zu bleiben, um jedem Patienten die volle Konzentration und Aufmerksamkeit zu schenken.
Was können Ärzte tun, die nur wenig Zeit zur Verfügung haben, einen angeleiteten Kurs zu besuchen?
Eva Kohlert: Um sicher und achtsam zu üben, ist es wichtig, die Basics in einem angeleiteten Kurs zu lernen. Kurse, die in Arbeitsnähe oder direkt in den Kliniken angeboten werden, sind hier ideal. Zum Beispiel bietet das Universitätsklinikum Tübingen seinen Mitarbeitern im Rahmen des Programms UKfit Yoga und weitere Sportkurse an. Alternativ bietet sich ein individuelles Training mit einem Lehrer, der sich auf die jeweiligen Bedürfnisse voll einstellt, an. Danach kann jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten üben und das bereits Gelernte vertiefen. Das ist das Positive an Yoga!
Literatur
Das Interview führte Sebastian Lux.
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Springer Medizin. Yoga trägt zur Arztgesundheit bei. ästhet dermatol kosmetol 11, 14 (2019). https://doi.org/10.1007/s12634-019-0059-y
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