Dass Kinder nicht immer einfach zu frisieren sind, wissen viele Eltern. Doch mit Geduld und starken Nerven lassen sich in aller Regel auch die hartnäckigsten Knoten lösen. Anders beim Struwwelpeter-Syndrom: Dagegen haben Bürste oder Kamm nicht den Hauch einer Chance, berichtet die Universität Bonn in einer Mitteilung.

Die Betroffenen haben extrem krause, trockene, meist hellblonde Haupthaare mit charakteristischem Glanz. Am ausgeprägtesten sind diese Symptome in der Kindheit und lassen dann mit der Zeit nach. Im Erwachsenenalter lassen sich die Haare meist mehr oder weniger normal frisieren.

Im Jahr 1973 wurde es zum ersten Mal in der Fachliteratur beschrieben; inzwischen sind weltweit gut einhundert Fälle dokumentiert. „Wir nehmen aber an, dass es deutlich mehr Betroffene gibt“, erklärt Prof. Regina Betz vom Institut für Humangenetik der Uni Bonn.

Immerhin weiß man, dass die Anomalie in manchen Familien gehäuft vorkommt — sie scheint also genetische Ursachen zu haben. „Über Kontakte zu Kollegen aus aller Welt gelang es uns, neun weitere Kinder zu finden“, erklärt Betz. Die Bonner Wissenschaftler sequenzierten sämtliche Gene der Betroffenen.

Beim Abgleich mit großen Datenbanken stießen sie so auf Mutationen in drei Erbanlagen, die an der Bildung des Haares beteiligt sind. Die veränderten Gene tragen die Kürzel PADI3, TGM3 und TCHH. Die ersten beiden enthalten die Bauanleitung für Enzyme, das dritte — TCHH — dagegen für ein wichtiges Protein des Haarschafts. In gesundem Haar sind die TCHH-Proteine über hauchfeine Hornfäden miteinander vernetzt, die für Form und Struktur des Haares verantwortlich sind. Bei diesem Vorgang spielen die zwei anderen gefundenen Gene eine wichtige Rolle.

Wenn auch nur eine der drei Komponenten nicht funktioniert, hat das fundamentale Auswirkungen auf die Haarstruktur und -stabilität. Mäuse, bei denen das PADI3- oder das TGM3-Gen defekt ist, entwickeln daher charakteristische Fell-Anomalien, die dem menschlichen Phänotyp sehr ähnlich sind. „Aus den Mutationen lässt sich eine ganze Menge über die Mechanismen lernen, die an der Bildung gesunder Haare beteiligt sind, und warum es manchmal zu Störungen kommt“, so Betz. „Zugleich können wir nun die klinische Diagnose ‚unkämmbare Haare‘ mit molekulargenetischen Methoden absichern.“

Das Struwwelpeter-Syndrom tritt meist isoliert ohne weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen auf. Die unkämmbaren Haare seien zwar lästig und möglicherweise auch eine psychische Belastung, sagt Betz. „Ansonsten müssen sich Betroffene aber keine Sorgen machen.“