Mit dem Entwurf zum E-Health-Gesetz ist genau das eingetreten, was man aus Industriesicht — aber eigentlich auch aus Anwender- und Arztsicht — hatte verhindern wollen: Die in dem Entwurf so hoch gehaltene Interoperabilität zwischen den Praxis- und Kliniksystemen wird gerade nicht gefördert. „Im E-Health-Gesetz werden zwei Themen vermischt: Die tatsächliche Interoperabilität — also der fall- und behandlungsbezogene Datenaustausch — und die Datenportabilität beim Systemwechsel“, sagt Jens Naumann, Vorstandsmitglied beim Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg). Zusätzlich hat es der Gesetzgeber versäumt, in seinem Entwurf für alle an der Gesundheits-IT Beteiligten klare Vorgaben festzuschreiben. Naumann: „Der Gesetzgeber sagt lediglich, dass es ein Interoperabilitätsverzeichnis geben soll.“ Er definiere aber nicht, wie genau ein elektronischer Arztbrief (E-Arztbrief) oder andere Dokumente auszusehen haben. Ein strukturiertes Dokument zu erstellen und in ein anderes System zu übertragen ist schon seit langem möglich. „Es gibt aber 50 verschiedene Wege dies zu tun“, schildert Naumann das eigentliche Problem. Und genau dies geschieht auch im Praxis- und Klinikalltag wie alleine das Beispiel des E-Arztbriefes zeigt: Es gibt das D2D-Verfahren, das künftig vom KV-Connect-Brief abgelöst wird, KOM-LE der gematik, den VHitG-Arztbrief, E-Arztbrief-Standards einzelner Berufsverbände und dann auch noch regional selbst gestrickte Standards innerhalb von Praxisverbünden. Naumann: „Jeder greift in die große Kiste der IT-Standards und sagt, so will ich es haben.“ Laut Naumann wäre es daher längst an der Zeit, dass man sich auf eine einheitliche Sprache (Syntax) und eine einheitliche Semantik — also was etwa der E-Arztbrief enthalten soll — einige. Ebenfalls wichtig sei eine Regelung, wie signiert und verschlüsselt und auf welchem Weg die Daten übertragen werden. Darin liegt auch ein Hauptkritikpunkt des bvitg am Entwurf zum E-Health-Gesetz. Der Verband wünsche sich, dass der Gesetzgeber festschreibt, dass es ein Interoperabilitätsverzeichnis gibt und dass er definiert, dass beispielsweise ein E-Arztbrief immer im Schema HL7 geschrieben wird, mit dem E-Heilberufsausweis zu zertifizieren ist etc. — zumindest wenn Briefe innerhalb des GKV-Systems elektronisch übertragen und gefördert werden.

Naumann sieht aber noch ein weiteres Problem, das es zu lösen gilt: die Nutzenargumentation gegenüber den Ärzten. In den Praxen würden die Prozesse an sich laufen. Ärzte nutzen einfach Word-Vorlagen für ihre Briefe und senden diese wie gehabt per Fax raus. Der tatsächliche Vorteil des E-Arztbriefes liege in der intelligenten Verarbeitung der Daten im System, erläutert Naumann. „Ein strukturierter Brief sendet mir die Diagnose so, dass ich die Daten direkt in meiner Software verarbeiten kann.“ Und genau deshalb sind wieder einheitliche Standards wichtig, damit jeder Brief in jeder beliebigen Praxissoftware gleich einlaufen kann. Naumann: „Es müssen aber auch pragmatische Lösungen für die Signatur geschaffen werden.“