In vielen Arztpraxen wird in Empfang und Wartezimmer Radiomusik als Hintergrundmusik abgespielt. Seit Jahren ist umstritten, ob der betreffende Arzt in diesem Falle verpflichtet ist, Gebühren an die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, kurz GEMA, zu zahlen.

Die GEMA nimmt die ihr von Komponisten, Textdichtern und Musikverlagen eingeräumten Rechte zur Nutzung von Werken der Tonkunst wahr. Sie ist von der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) und der Gesellschaftsverwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) ermächtigt, die von diesen wahrgenommenen Rechte und Ansprüche der Urheber von Sprachwerken sowie der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller geltend zu machen. Die GEMA vertritt seit Jahren die Ansicht, dass Abspielen von Musik als Hintergrundmusik untersagt sei, wenn nicht entsprechende Gebühren gezahlt würden. Viele Ärzte haben, meist nolens und nicht volens, mit der GEMA einen entsprechenden Lizenzvertrag abgeschlossen.

Mit Urteil vom 18. Juni 2015 hat der Bundesgerichtshof diese Streitfrage endlich verbindlich geklärt. In einem Streit zwischen einem Zahnarzt und der GEMA stellte der Bundesgerichtshof fest, dass es sich beim Abspielen von Hintergrundmusik im Wartezimmer des Zahnarztes nicht um eine vergütungspflichtige öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtsgesetzes handelt. Es besteht also kein Gebührenanspruch.

Niedergelassene Ärzte, die mit der GEMA Lizenzverträge abgeschlossen haben, sind damit berechtigt, diese Lizenzverträge zu kündigen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes ist die Geschäftsgrundlage für derartige Lizenzverträge bereits durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 15. März 2012 entfallen. In dieser Entscheidung hatte der EuGH festgestellt, dass beim Abspielen von Hintergrundmusik in der Praxis eines italienischen Zahnarztes die Voraussetzungen für einen Lizenzanspruch nicht vorlägen, da die Wiedergabe in der Arztpraxis keine Wiedergabe gegenüber einer bestimmten Zahl potenzieller Adressaten bzw. recht vieler Personen ist. Da es sich um einen italienischen Sachverhalt mit abweichenden Rechtsgrundlagen handelte, war umstritten, ob und inwieweit sich diese Einschätzung auf das deutsche Recht übertragen lässt.

Der Bundesgerichtshof sah sich nun insoweit an die Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof der Europäischen Union gebunden, und hat in einem deutschen Rechtsstreit die entsprechenden Bestimmungen des nationalen Rechts richtlinienkonform ausgelegt. Der vom BGH zu beurteilende Sachverhalt stimmte in allen wesentlichen Punkten mit dem Sachverhalt überein, über den der EuGH geurteilt hatte. Daher hat auch der Bundesgerichtshof nunmehr entschieden, dass die Wiedergabe von Hörfunksendungen als Hintergrundmusik in Arztpraxen im Allgemeinen, und so auch bei dem Beklagten im betroffenen Rechtsstreit, nicht öffentlich im Sinne des Urheberrechts und damit auch nicht vergütungspflichtig ist.